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Das Leben ist eine Baustelle
Mit CIs im Handwerk

Von Laura Rott

Mein Name ist Laura und ich bin 29 Jahre alt. Ich bin seit meiner Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig und heute mit zwei Cochlea Implantaten (CIs) versorgt.

Warum ich schwerhörig bin, liegt daran, dass es in meiner Familie erblich bedingt ist. Meine Oma war gehörlos und mein Bruder ist auch schwerhörig. Bis zum 6. Lebensjahr war ich beidseitig mit Hörgeräten versorgt, die keinen ausreichenden Nutzen mehr brachten. Ich tat mich schwer Außengeräusche wahrzunehmen und Töne zu unterscheiden, zudem konnte ich mich sprachlich nicht richtig ausdrücken.

Meine Eltern informierten sich über das Cochlea Implantat und führten viele Dialoge mit Erfahrenen und Ärzten. Im Frühling 2000 wurde ich auf der linken Seite implantiert. Die Operation und die Nachversorgung an der Uniklinik in Frankfurt und im CIC in Friedberg verliefen komplikationslos.

Schnell lernte ich die Lautsprache und konnte innerhalb weniger Monate recht gut hören. Ich merkte einen gewaltigen Unterschied zu den Hörgeräten und konnte beruhigt und gut vorbereitet die 1. Klasse einer Schule für Hörgeschädigte besuchen. Keine zwei Monate nach der Einschulung wechselte ich in die Grundschule (Regelschule), da mein Lerntempo dem Niveau eines Guthörenden glich.

Nach zahlreichen Besuchen bei Logopäden, Hörakustikern und einer Förderlehrerin entwickelte sich meine Hörqualität gut weiter und ich war ein sehr glückliches kleines Mädchen, das seinen Hobbys wie Freunde treffen, Saxophon spielen oder Reiten nachgehen konnte. Später konnte ich dann problemlos auf das Gymnasium wechseln und das Abitur abschließen.

Zwar sind die Klassen in der Regelschule deutlich größer, aber dank moderner FM-Anlagen und Aufklärung über den Umgang mit meinem Hörverstehen fühlte ich mich im Unterricht stets wohl und wurde positiv aufgenommen.

Nach dem Abitur schloss ich mit Erfolg die Lehre zur Gesellin im Maler- und Lackiererhandwerk ab und wurde als Innungsbeste in unserem Landkreis ausgezeichnet. Direkt danach besuchte ich die einjährige Fachschule in Wiesbaden und legte dort im Sommer 2017 die Prüfungen zur staatl. gepr. Fachfrau für Mal- und Lackiertechnik und zur Meisterin im Maler- und Lackiererhandwerk ab.

Überglücklich und voller Stolz holte ich im Frühjahr 2018 bei der Meisterfeier im Kurhaus in Wiesbaden meinen Meisterbrief ab. Später machte ich dann noch eine Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin mit dem Master-Abschluss. Als ich als stellvertretende Lehrerin an einer Berufsschule unterrichten durfte merkte ich, dass ich mit nur einem CI nicht gut zurechtkam.

Auf den Baustellen ist die Kommunikation besonders wichtig. Man ist im ständigen Austausch mit Kunden, Geschäftspartnern, Kollegen und Architekten. Oftmals verläuft die Kommunikation in der Branche schnell und da man alltäglich mit verschiedenen Menschen ins Gespräch kommt, war es für mich irgendwann zu anstrengend und belastend nur mit dem einen CI zu hören.

Ich kommuniziere viel per Telefon, E-Mail und soziale Medien. Im Frühjahr 2018 beschloss ich dann auch die rechte Seite implantieren zu lassen, die vorher noch mit einem Hörgerät versorgt war. Da man mir kaum anmerkt, dass ich von einer Hörbehinderung betroffen bin, muss ich manchmal meine Gesprächspartner darauf aufmerksam machen, dass ich auf das Mundbild angewiesen bin. Manchmal bin ich auf Baustellen, auf denen es nicht so leicht ist mit den Kollegen zu kommunizieren, da dort mit mehreren Maschinen gleichzeitig arbeitet wird. 

Trotz der betriebsamen Baustellenatmosphäre macht es mir Spaß mit den Kollegen und Kunden zu arbeiten und sie nehmen Rücksicht auf meine Schwerhörigkeit. Ich nutze da manchmal auch meinen Vorteil und schalte die CIs aus, falls es mir zu laut oder nervig wird.

Ohne die CIs wäre ich heute nicht dort, wo ich hinwollte. Man hat immer wieder Baustellen im Leben, die man koordinieren muss. Erstmal die einfachsten Probleme lösen. Keine Wunder erwarten. Kleine Schritte führen ans Ziel. Der Anfang ist schwer.

Die Hörreise bleibt spannend und ich freue mich auf die Zukunft. Anfangs war es nicht leicht für mich mit den CIs frisch ins Berufsleben einzusteigen und dann noch als Handwerkerin mit Vorurteilen konfrontiert zu werden. Dennoch hatte ich meinen Willen durchgezogen und der Beruf macht mich selbstbewusst.

Ich blicke gerne auf meine Entwicklung mit den CIs zurück und kann anderen Interessierten oder Betroffenen nur Mut zusprechen, dass man mit einem Cochlea Implantat nichts falsch machen kann. Das Hören wird besser, nicht schlechter. Es ist wichtig, dass man soziale Unterstützung im eigenen Umfeld hat.

Als Jugendliche war ich Mitglied und auch zwei Jahre im Vorstand der Bundesjugend e.V. und nahm dort an zahlreichen Freizeitangeboten und Seminaren teil. Ich kann es nur jedem empfehlen Teil von Selbsthilfegruppen zu sein und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Laura Rott
Januar 2023