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Laura hat einen Knopf am Ohr - WZ vom 11.08.2005

Laura hat einen Knopf am Ohr

Laura ist seit ihrem ersten Lebensjahr fast taub. Ihr Alltag ist ein anderer oder etwa nicht?
 
St. Tönis. Wenn Laura ihre Mutter ärgern will, dann hört sie einfach weg. "Ich habe dich nicht verstanden", sagt die Zehnjährige provozierend und grinst Martina Landgraf an. Wenn man die beiden so beobachtet, kann man fast vergessen, dass Laura diesen Satz mitunter auch sehr ernst meint: Ohne die Geräte an ihrem Ohr hört sie nichts. Fast nichts. Seit sie im Alter von drei Monaten an einer Hirnhautentzündung erkrankte, ist Laura schwer hörgeschädigt. 
 
"Am Anfang war es ein Schock", sagt Landgraf. Die 40-jährige blickt zu ihrer Tochter herüber, die ihr am Esstisch im heimischen Wohnzimmer gegenüber sitzt. Die lächelt verlegen, streicht sich die mittellangen, blonden Haare hinters Ohr und nestelt an ihrem Hörgerät herum. "Die Ärzte haben uns relativ schnell gesagt, dass sie wahrscheinlich Probleme haben wird. Aber wie schlimm es war, haben wir erst später gemerkt." 
Das Baby verhielt sich anders als der ältere Bruder, reagierte weniger, brabbelte nicht. "Das ist nicht normal", dachte Landgraf damals. Mit acht Monaten bekam Laura die ersten Hörgeräte. Dann die Diagnose: auf dem rechten Ohr maximal 20 Prozent, links maximal 70 Prozent Hörvermögen und das bereits mit Geräten im Ohr. "Da habe ich mir erstmal sämtliche Lektüre besorgt", sagt die Mutter und schüttelt den Kopf, fast so, als wolle sie es heute noch nicht glauben. 
 
Das Leben machte auf einmal einen Satz in eine Richtung, die die Landgrafs nicht erwartet hatte. Zweimal die Woche kam jetzt die Therapeutin, um mit Laura Hören und Sprechen zu üben. Vom Klinikum Krefeld gab es eine Frühförderung. "Ständig mussten wir sie beobachten", erinnert sich Landgraf. 
 
Ständig waren auch die Hörgeräte falsch eingestellt - wie will sich ein Kind mit anderthalb Jahren bemerkbar machen? Einmal warf Laura die Geräte in hohem Bogen von sich, als sie hinten auf dem Fahrrad saß. "Aber das hab ich doch nicht absichtlich gemacht", protestiert Laura. Die Mutter lacht. 
 
Sie lehnt sich zurück und erzählt von der Operation, die Laura mit sechs Jahren mitgemacht hat, kurz vor ihrer Einschulung. Ihr wurde ein Implantat in den Kopf gesetzt, das sogenannte Cochlea-Implantat (CI). Das CI ersetzt die akustische Reizung über die Haarzellen im Ohr durch eine elektronische Reizung. Dafür wurden Laura rund 20 Elektroden ins Innenohr ein-gepflanzt. 
 
An der rechten Seite des Kopfes, kurz hinter dem Ohr, trägt Laura jetzt einen Knopf von der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, der per Magnet mit dem CI verbunden ist. Wenn sie den Knopf abnimmt, hört sie nichts mehr. So einfach ist das. Laura lauscht. "Ich hatte so einen Kopf", sagt sie und beschreibt mit ihren Händen einen Halbkreis in der Luft. "Das stimmt", sagt die Mutter, "du hattest einen Riesenverband." 
 
Lauras Entwicklung verläuft in Schüben. Genau wie das CI sie einen großen Schritt nach vorne gebracht hat, hatten auch die ersten Tage im integrierten Kindergarten sie stark gemacht. "Mit einem Schlag wurde sie selbständiger, selbstbewusster, kam die Sprache besser", erzählt Landgraf. "Davor musste sie mich immer dabei haben." Oder die ersten Hörgeräte, die endlich passten. Noch nie zuvor hatte sie ein Wort gesagt. Und dann deutete sie auf ein Spielzeug: "Mama, Auto." 
 
Nach wie vor ist die Sprache ihre größte Herausforderung. Wer nicht gut hört, kann auch die Artikulation nur schwer lernen. Laura ist ein Meister im Lippenlesen, auch wenn die Therapeutin immer wieder daran arbeitet, dass Laura zuhört, ohne dem Gesprächspartner auf den Mund zu schauen. Und Laura kann Gebärdensprache. "L, A, U, R, A", flink buchstabiert sie mit der rechten Hand ihren Namen. 
 
Mit ihren Freundinnen von der Schule für Hörgeschädigte redet sie so, manchmal, vor allem morgens im Bus. Die Mutter sieht das nicht gern. Ein Kind, das hören kann, soll nicht die Gebärdensprache trainieren, mahnen die Ärzte. Wenn Laura spricht, verschluckt sie manche Silben. Oder sagt "D" statt "G". Das G fühlt sich im Hals anders an als das D, an der Gurgel kann man das spüren. 
 
Aber obgleich so vieles anders läuft im Leben von Laura als bei anderen Zehnjährigen, ist sie doch eigentlich ein ganz normaler Teenager. Ihren 16-jährigen Bruder bewundert sie. Obwohl der so langweilig ist im Moment und nur vor dem Computer abhängt statt mit ihr schwimmen zu gehen. Sie verdreht die Augen, wenn sie das erzählt. 
 
Außerdem mag sie Jennifer Lopez, die amerikanische Pop-Sängerin, die sie sich auf MTV ansieht. Und dann hätte sie gerne eine Katze. Jetzt, wo das Meerschweinchen und das Kaninchen gestorben sind. Geht aber nicht, sagt die Mutter, weil der Bruder dagegen allergisch ist. "Verstehst du mich, Laura?" "Nöö", sagt Laura und strahlt. "Hab doch gar keine Batterie reingetan." 
 
 
11.08.05
Von Sophie Schulenburg 
Willich / Tönisvorst
 
Quelle: http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=90229
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Hörschäden früh erkennen - FNP vom 02.07.2005

Hörschäden früh erkennen

Aus Frankfurter Neue Presse vom 02.07.2005
Hörschäden werden bei Kindern häufig zu spät erkannt. In vielen Fällen hat die Entwicklung des kleinen Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Schaden genommen, wie die Direktorin der Heidelberger Universitäts-Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen, Ute Pröschel, berichtet. Zwar stünden Screening-Tests für Neugeborene längst zur Verfügung. Doch nur in wenigen Bundesländern wie Hamburg oder dem Saarland würden diese Untersuchungen auch flächendeckend durchgeführt.
 
In Deutschland leiden von 1000 Neugeborenen ein bis zwei an Hörschäden. Im Durchschnitt werden die Beeinträchtigungen nach Angaben Pröschels erst im dritten Lebensjahr entdeckt. Dann fielen die Kinder durch eine verzögerte Entwicklung der Sprache oder durch gestörtes Verhalten auf. Nervenbahnen im Gehirn, die das Innenohr mit dem Hör- und Sprachzentrum verbänden, sollten jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits weiterentwickelt sein. Diese Ausbildung könne auch der späte Einsatz von Hörgeräten nicht ersetzen.
 
Das Neugeborenen-Screening könne als schneller, schmerzfreier Test auf der Geburtsstation vorgenommen werden, erklärt die Professorin. Dabei werde eine kleine Sonde in das Ohr des Kindes eingeführt und ein kurzer Schallreiz erzeugt. Ob das Kind richtig höre, werde an der Schallantwort aus dem Innenohr oder an den Hirnströmen abgelesen. Um aber den Test durchführen zu können, müssten die Geburtskliniken entsprechend ausgestattet und die Mitarbeiter geschult sein. Dass hier Erfolge möglich seien, zeigten Österreich und die USA, wo die Mehrzahl der Neugeborenen mit Hörschäden bereits in den ersten sechs Monaten behandelt werde.
 
Ursachen angeborener Hörschäden können nach Angaben der Expertin genetische Erkrankungen, Röteln während der Schwangerschaft, Frühgeburt sowie starker Sauerstoffmangel während der Geburt sein. Kindern mit Hörstörungen stünden heute ausgezeichnete Behandlungsmöglichkeiten offen, betont Pröschel. Mit Hilfe von Hörgeräten, Cochlea-Implantaten sowie anderen Hörprothesen könnten gute Erfolge in der Sprachentwicklung und der allgemeinen Entwicklung erzielt werden. 
 
Quelle: http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=2367726
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