Skip to main content

Fussball: Felix ist Eskortkid beim Länderspiel - Kölner Rundschau vom 15.08.2004

Felix ist Eskortkid beim Länderspiel

 
Von JUDITH ACKERMANN
 
16.08.2004 07:06 Uhr
 
STOTZHEIM. Einmal mit den ganz großen Fußballstars im Stadion stehen, davon träumen fast alle Kinder. Für den gehörlosen Felix Rechmann aus Stotzheim geht dieser Traum am 8. September beim Länderspiel Brasilien - Deutschland in Erfüllung. Der Zehnjährige darf nämlich mit zehn weiteren gehörlosen Kindern aus Deutschland die Brasilianische Nationalmannschaft in das Berliner Stadion führen.
 
Organisiert wird dies von der DCIG, der Deutschen Cochlear-Implant-Gesellschaft. Das Cochlear-Implant ist eine Innenohrprothese, die es medizinisch tauben Menschen ermöglicht, wieder zu hören.
 
Auch Felix ist seit einer Hirnhauterzündung im Alter von acht Monaten taub. Seine Eltern, Dr. Joachim und Monika Rechmann entschlossen sich daraufhin ihm in einer Spezialklinik in Freiburg das Cochlear-Implant einsetzen zu lassen.
 
Im Alter von anderthalb Jahren wurde Felix operiert. Dies verschaffte ihm den Vorteil Hören und Sprechen nun direkt mit dem Implant lernen zu können: „Wir haben bei einer Logopädin sehr viel Hör- und Sprachtraining mit ihm gemacht“, erklärte Monika Rechmann. „Ich habe Seminare besucht um zu lernen ihn zu fördern. Zu Hause haben wir uns bemüht so melodisch wie möglich zu sprechen. Wir haben viel gesungen und rhythmische Spiele gemacht.“
 
So konnte Felix schnell ein Gefühl für die Sprachmelodie des Deutschen entwickeln. Wenn er jetzt spricht, ahnt man nicht, dass er gehörlos ist.
 
Das Implantat trägt er nur auf einem Ohr, somit ist räumliches Hören für ihn nicht möglich. Mutter Monika sorgt sich daher besonders im Straßenverkehr um ihren Sohn: „Er muss alles mit den Augen leisten, was wir mit den Ohren tun.“ Auch in der Schule könne er oft nicht erkennen von wo jemand spricht.
 
„Das merke ich dann aber an der Stimme. Jeder spricht anders. Daran orientiere ich mich.“ Alles in allem findet Felix, dass er gut mit der Prothese zurecht kommt und kann ihr sogar Vorteile abgewinnen: „Wenn es gewittert kann ich als einziger schlafen und wenn mich jemand nervt kann ich das Gerät ausschalten und höre nichts mehr.“
 
Nachteile sieht er natürlich auch. So hat er Schwierigkeiten, seine Freunde zu verstehen, wenn sie zu schnell reden.
 
Mutter Monika freut sich, dass man ihren Sohn als Eskortkid ausgewählt hat: „So kann er sehen, dass er durch seine Behinderung auch mal Vorteile haben kann. Seine Schwestern haben schon gesagt, sie möchten auch gehörlos sein und die Brasilianer in das Stadion führen.“
 
Dies wäre aber auch dann nicht möglich, denn dazu sind die drei Mädels schon zu alt. Die Eskortkids dürfen nämlich nicht größer als 1,40 Meter sein, so dass Felix mit seinen 1,36 Metern gerade noch ins Raster passt.
 
Als Trostpflaster will er Nina (12), Nicola (14) und Anna (16) Autogramme von Kevin Kuranyi mitbringen. Er selbst hätte am liebsten von allen Spielern welche. Fußballfan ist der Zehnjährige nämlich eigentlich gar nicht. Nach seinem Lieblingsverein gefragt, entscheidet er sich dann aber spontan für Bayern München. Vom brasilianischen Team weiß das Eskortkid nur wenig.
 
„Ich glaube Ronaldo und Ronaldino spielen da,“ sagt er zögerlich und guckt die Schwestern Hilfe suchend an. Nicola und Nina nicken eifrig mit dem Kopf. Weitere Spieler fallen den beiden aber auch nicht ein. „Tja, hier sind Fußballfans unter sich“, lacht Mutter Monika.
 
Als die DCIG anrief, war Felix zunächst fassungslos. Er schaute seine Mutter an und sagte: „Das glaub ich nicht. Das brauch ich auch keinem zu erzählen. Das glaubt mir eh keiner.“ Mittlerweile glauben es aber fast alle, sogar die neue Schule auf die Felix nach den Ferien gehen wird. Das Emil-Fischer hat ihn für den Ausflug schon frei gegeben. „Es ist natürlich schon ein bisschen blöd, gleich in der ersten Woche zu fehlen“, sagt Monika, „aber andererseits ist es eine Riesenchance für den Jungen.“ Mutter Monika wird ihren Sohn dann auch in die Hauptstadt begleiten. Vater Joachim muss aus beruflichen Gründen zu Hause bleiben. Tickets für den Zug haben die Rechmanns schon. Übernachtet wird bei Tante Ute , die praktischer Weise in der Hauptstadt wohnt. Vor dem Spiel lernen sich die Kinder erst mal nachmittags kennen und für die Optik gibt es Trikots für alle vom DFB.
 
Abends geht es dann ins Stadion, und dort wird Mama Monika ihrem Felix aus dem Publikum ganz doll zu jubeln, wenn der mit einem Spieler an der Hand ins Flutlicht tritt. Auf die Frage nach Fotos, lacht sie ihren Kindern zu: „Wenn ihr mir einen Fotoapparat mitgebt.“ Gar kein Problem, finden die und nun haben Felix und Monika gleich vier Apparate im Gepäck.
 
(KR) Kölner Rundschau vom 15.08.2004
  • Erstellt am .