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Spezialuhr weckt Julian zu seinem ersten Schulbesuch - WAZ vom 05.09.2004

Spezialuhr weckt Julian zu seinem ersten Schulbesuch 

Wer in der neuen Siedlung an der Bauerschaft wohnt und eine Waschmaschine mit einem Bullauge hat, könnte unerwartet Besuch von Julian bekommen. Der Sechsjährige ist Fan von allem, was mit Waschen und Trocknen zu tun hat.
 
Mittlerweile sagt Julian seiner Mama Marion Schmidt auch Bescheid, wohin er geht, damit sie ihn nicht suchen muss. Der gehörlose Junge ist ein gern gesehener Gast und völlig zufrieden damit, für eine Weile still vor der Waschmaschine zu sitzen.
 
Dass Julian überhaupt die Geräusche der Maschine hören kann, hat er einem Cochlea-Implantat zu verdanken, das er vor vier Jahren bekommen hat. Dieses Gerät ersetzt die Funktion des geschädigten Innenohrs. Es wandelt Sprache und Schall um und gibt dabei künstliche Impulse an den Hörnerv.
 
Um seine Sprache zu schulen, besuchte der kleine Kettwiger einen besonderen Kindergarten. Die Einrichtung ist der Rheinischen Schule für Schwerhörige angeschlossen. Noch drei Mal schlafen, das weiß Julian genau, dann beginnt die Schule. Er freut sich schon darauf. Was er nicht so toll findet, ist das frühe Aufstehen. Der Schulbus kommt bereits um kurz nach sieben. Um pünktlich aufstehen zu können, bekam er einen Spezialwecker geschenkt, der ihn mit Lichtblitzen und Vibrationen weckt. Zum Frühstück isst er dann ein Croissant mit Ketchup. "Den macht er fast überall drauf", sagt Marion Schmidt.
 
Einmal in der Woche geht es zur Logopädin nach Steele. Dort stehen Sprachübungen auf dem Therapieplan. Außerdem werden die elektronischen Daten des Implantates per Computer überprüft. Wo wird Julian später sprachlich stehen? "Das kann niemand vorher sagen, dafür gibt es keine Garantie", sagt Marion Schmidt. Aber ihr Jüngster sei an allem sehr interessiert, stelle immer wieder Fragen und sei aufgeschlossen, so dass sie sich keine Sorgen mache. Bilden sich Wortschatz und Aussprache noch weiter aus, kann er jederzeit auf eine Regelschule wechseln. "Wir haben schon Kontakt mit der Erich Kästner-Grundschule aufgenommen."
 
Der Sechsjährige blättert in einem Versandhaus-Katalog. Dort hat er schon alles angestrichen, was er sich vom Nikolaus wünscht. Ein ferngesteuertes Auto, eine Badewanne für die Puppe. Und dann zeigt er auf seine Lieblinge: die Waschmaschinen. Drei Spielzeugversionen hat er bereits in der Spielgarage stehen. Eine große hat er schon für Mama ausgesucht.
 
Denn Schmidts besitzen leider noch eine älteres Modell - ohne Fenster. So erklärt es sich auch, warum Julian immer zu den Nachbarn geht: zum Wäsche-Waschen-Gucken. 
 
Quelle: WAZ, Sonntag, 05. September 2004
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