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Meinen Kampf ums Hören - vom HG zum CI

Es ist nicht immer so ganz einfach zu einer Hörgeräteversorgung oder - einem CI zu kommen und daher dieser Beitrag…

Aber zuvor stelle ich mich Ihnen kurz vor. Mein Name ist Ulrich Rauter, bin verheiratet und habe zwei Töchter. Bis zur meiner Verrentung war ich als Techniker im Ingenieurbüro einer Firma mit 1.440 Beschäftigten tätig. Dort war ich für die Energieversorgung, den Formenbau sowie die Produktentwicklung zuständig und habe als Schwerbehindertenvertrauensmann die Interessen der Schwerbehinderten vertreten.

Die Schwerhörigkeit hat bei mir schon im Kleinkindalter begonnen, war aber nicht so stark ausgeprägt. Als ich parallel zur Mechanikerlehre das technische Abendgymnasium besuchte, machte sich die Schwerhörigkeit immer stärker bemerkbar. So ging ich zum HNO-Arzt, um mir Hörgeräte verordnen zu lassen. "Viel zu jung für Hörgeräte", entschied dieser. Alleine die Schwierigkeiten im Englischunterricht zeigten deutlich, wie groß damals schon meine Defizite im Verstehen waren. Wenn ich im mündlichen dran genommen wurde, kugelte sich die ganze Klasse vor Lachen.

Nach der Bundeswehrzeit besuchte ich die Technikerabendschule. Dort bemerkte ich immer mehr, dass ich nicht alles mitbekomme und unternahm erneut einen Versuch Hörgeräte zu bekommen. Aber auch dieser HNO-Arzt meinte, dass ich noch zu jung für Hörgeräte sei.

- Über die Hörgeräte sollte der Hörstatus entscheiden und nicht das Alter. -

In der Technikerschule löste ich das Problem "Englischunterricht" ganz einfach: Ich akzeptierte die FÜNF und ging in der Zeit auf dem Markt eine Currywurst essen.

1979, im 33 Lebensjahr stehend, wurden dann die Hörprobleme so groß, dass es ohne HG einfach nicht mehr ging und ich den dritten HNO-Arzt aufsuchte. Dieser verordnete mir auch sofort die gewünschten Hörgeräte. "Sie hätten schon viel früher Hörgeräte benötigt", sagte er zu mir. Aber der Hörerfolg hielt sich in Grenzen, so dass die HGs eher in der Schublade lagen. Ca. ein Jahr nach der Anpassung kam ich zufällig mit einer Hörgeräteakustikermeisterin ins Gespräch. Diese bestellte mich dann ganz un-verbindlich zu ihr ins Geschäft, machte einen Hörtest und sagte zu mir, dass die mir angepassten Geräte für mich vollkommen ungeeignet sind. Sie passte mir andere an und mit denen kam ich recht gut zurecht. Dabei wurde mir die erste Akustikerin ausdrücklich vom HNO-Arzt empfohlen.

In den Folgejahren verschlechterte sich mein Gehör weiter. Bei einer Infusionsbehandlung im Krankenhaus sagte der behandelnde Arzt damals zu mir, "Bereiten Sie sich mal darauf vor eines Tages ertaubt zu sein". Seitdem habe ich mich intensiv mit dem Thema Schwerhörigkeit beschäftigt. Ich wollte alles über die Schwerhörigkeit wissen und habe mich auch ausführlich über die Hörgerätetechnik und sozialrechtliche Dinge informiert. Dieses Wissen hat mir manches erleichtert, denn man erkennt eher die Grenzen und akzeptiert diese letztendlich auch besser. Ohne die Vorwarnung dieses Arztes hätte ich mich sicher nicht so intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Mein Hörverlust lag damals im unteren Bereich der Hochgradigkeit.

Ein wichtiges Erlebnis hatte ich 1988 in Bad-Berleburg. Dort lernte ich eine ältere Dame kennen, die ein CI trug, was ja damals noch eine Seltenheit war. Da ich damit rechnen musste, dass das für mich in den nächsten Jahren von Bedeutung sein könnte, unterhielt ich mich ausführlich mit ihr, ließ mir alles zeigen und erklären. Seit dieser Begegnung habe ich das CI immer im Blickfeld behalten und alle Entwicklungen gespannt verfolgt.

Im Spätsommer 2000 machte ich eine Reha in der Baumrainklinik. Mein Hörverlust bewegte sich in den für das Sprachverstehen entscheidenden Frequenzen zwischen 100 und 110dB. Über 4KHz hinaus war nichts mehr messbar. Dr. Zeh legte mir das CI nahe und um mich zu überzeugen, überwies er mich für eine Woche in des Hörtraining der CI-Gruppe. Dort stellt ich aber fest, dass ich vom Verstehen her eher noch im gehobenen Mittelfeld lag. Nur wusste - bzw. bemerkte ich nicht, dass die Implantierten alles völlig entspannt verstanden und ich mich hochgradig konzentrieren musste um das gleiche Ergebnis zu erreichen. Dem CI stand ich weiterhin aufgeschlossen gegenüber, aber ich redete mir ein, dass es zum damaligen Zeitpunkt für die Implantation noch zu früh war. Manchmal steht man sich selber im Weg. Aber dazu später mehr.

Als extrem Schwerhöriger, in einem Beruf, in dem gutes Verstehen unabdingbar ist, auch viel telefoniert werden muss, war es letztendlich absehbar, dass das eines Tages zur Überlastung führen musste. Diese trat dann auch auf, als mein Arbeitgeber innerhalb von kurzer Zeit mehrmals den Besitzer wechselte. Ich bekam oft nicht mehr mit, was da so alles um mich rum ablief. Die Kollegen hielten sich mit Information zurück, da jeder zu diesem Zeitpunkt um seinen eigenen Arbeitsplatz bangen musste. So kam es wie es kommen musste: Ich wurde länger krank und musste die Rente beantragen. Mit dem CI, da bin ich sicher, wäre ich heute noch voll arbeitsfähig.

Von Michael Schwaninger erhielt ich eine Einladung zu einer Veranstaltung der DCIG, die am 08.05.2005 in der Frankfurter Uniklinik statt fand. Dort entschloss ich mich dann spontan die Implantation zum schnellstmöglichen Zeitpunkt vornehmen zu lassen. Forciert wurde der Entschluss noch von einem Erlebnis im Schwerhörigenverein Gießen. Mir fiel auf, dass sich eine junge Frau innerhalb von nur wenigen Wochen total verändert hatte. Vorher verschüchtert, verklemmt und gehemmt, beim Gespräch immer nur auf ihre Fußspitzen sehend, konnte man sich plötzlich mit ihr unterhalten. Auf Nachfragen im Verein erfuhr ich dann, dass sie seit kurzer Zeit ein CI trug. "Warum soll das CI bei mir nicht genauso erfolgreich sein wie bei ihr", war mein Gedanke, und ich meldete mich in Bad-Berleburg zum CI-Seminar an.

Mit recht guten Vorkenntnissen dort angetreten, konnte ich mir im CI-Seminar in der Baumrainklink noch den letzten Feinschliff holen. Durch gezielte Fragestellung wurden dort auch noch die letzten Wissenslücken geschlossen. Mit diesem Wissen aus-gestattet fällt das Gespräch bei der Voruntersuchung in der implantierenden Klinik wesentlich leichter. Beim Test 5 Minuten Text mit Absehen und 5 Minuten Text ohne Absehen schnitt ich noch sehr gut ab, denn nur 4- bzw. drei Worte verstand ich falsch. Bei den Einsilbern habe ich noch über 40% geschafft. Eigentlich noch zu gut für ein CI. Ich wollte aber trotzdem eins, denn ich wusste inzwischen aus Erfahrung, dass ich diese guten Werte nur durch allerhöchste Konzentration geschafft habe, denn der Schweiß floss mir nach diesen zehn Minuten den Rücken runter.

Den gleichen Test habe ich übrigens bei der Hör-Sprach-Reha in der Baumrainklink, ca. vier Monate nach der Erstanpassung, erneut gemacht. Das Ergebnis war fast gleich. Im Unterschied zum ersten Test mit dem HG schaffte ich das mit CI aber ohne großen Aufwand.

Vom CI-Seminar zurück zu Hause angekommen, nahm ich sofort per Mail Kontakt mit Frau Dr. Helbig auf. Sie antwortete mir auch umgehend und ich begab mich zur Voruntersuchung in die UNI-Klink Frankfurt. Die Untersuchungen ergaben, dass ich für die Implantation geeignet bin. Da aber das Einsilberverstehen noch recht hoch war, reichten wir bei der Beantragung zur Kostenübernahme bei der KK nur das Audiogramm ein. Dass diese Taktik richtig war, zeigt sich darin, dass die Freigabe der KK umgehend eintraf. Bei diesen Hörverlust konnte die KK nicht ablehnen.

Aber auch zum CI kommt man nicht ohne Kampf, wenn der HNO-Arzt nicht mitspielt. Inzwischen aber älter und durchsetzungsfähiger geworden, habe ich mich auf keine Diskussion eingelassen und darauf bestanden eine Überweisung zur CI-Voruntersuchung zu bekommen. Ich habe von meinem HNO-Arzt eigentlich immer gute Unterstützung erhalten, aber im Bezug auf das CI kam von ihm nicht der geringste Hinweis. Ganz im Gegenteil, als ich das CI ins Gespräch gebracht habe hat er nur gesagt, dass ich für ein CI schon zu schlecht höre.

Wie erfolgreich ich aber mit dem CI verstehe habe ich ihm dann einige Wochen nach der Erstanpassung vorgeführt. "Ich hätte nie gedacht, dass Sie mit dem CI so erfolgreich sein werden", so der erstaunte HNO-Arzt zu mir.

Da ich auch von vielen anderen Implantierten weiß, dass sie mehr oder weniger durch Eigeninitiative oder puren Zufall zum CI gekommen sind, habe ich mich im CIV HRM engagiert. Dort kann ich mit dazu beitragen, dass der Bekanntheitsgrad des CIs erhöht wird. Es darf nicht länger sein, dass es vom Zufall abhängt, ob man implantiert wird oder nicht. Eine Bekannte aus dem Hör- Sprachtraining wurde von der Sprechstundenhilfe ihres Frauenarztes auf das CI aufmerksam gemacht.

Mein rechtes Ohr ist seit 1979 unversorgt, die Schmerzgrenze liegt unter der erforderlichen Verstärkung. Darum legte man mir nahe, das linke, geschulte Ohr implantieren zu lassen. Da ich mit einem sehr starken Hörverlust auch mit HG immer noch recht gut verstehen konnte, sagte man mir voraus, dass das wahrscheinlich auch mit dem CI so sein wird und dass sich bei mir die Hörerfolge sicher auch recht schnell einstellen werden. Die Betonung lag aber auf wahrscheinlich, denn garantieren kann das niemand. Zum Glück ist alles so eingetroffen.

Die Operation am 06.01.2005 verlief komplikationslos. Lediglich ein kurzzeitiger sehr lauter Tinnitus und leichte Schwierigkeiten beim Kauen traten auf. Das war aber nicht weiter schlimm, denn die ersten Tage überbrückte ich mit Bananen und Quark.

Am Donnerstag die OP und am darauf folgenden Sonnabend konnte ich schon die Heimreise antreten. Besser kann es nicht laufen. Hier muss ich dem Team um Frau Dr. Helbig ein Lob aussprechen, denn nicht nur die Op lief sehr gut ab, auch der ganze restliche Ablauf auf der Station war einfach super. Sehr menschlich alles.

Endlich kam der lang ersehnte Tag der Erstanpassung. Als ich "online" genommen wurde schlug mir das Herz vor Erregung bis zum Hals. Frau von Lüpke sprach mich an und ich konnte auf Anhieb verstehen. Anschließend wurden noch einige kleine Korrekturen vorgenommen und das Verstehen wurde noch besser. Der Klang war zwar grauenhaft, unnatürlich, schrill, blechern, hallend, aber ich konnte verstehen. Ein tolles Gefühl!

Die 2. Anpassung brachte im Sprachverstehen nur geringe Fortschritte, jedoch wurde das Klangbild schon deutlich angenehmer.

Vier Tage nach der 2. Anpassung wagte ich mich an den Fernseher. Ich schaltete auf "T" und hängte mir meine Sennheiser-Anlage um. Damit konnte ich gut verstehen. Selbst die Stimmen der mir bekannten Personen, ich sah Sabine Christiansen, konnte ich teilweise erkennen. So gestärkt wagte ich mich ans Telefon und rief meine Tochter an. Auch das klappte über "T" recht gut. Einschränkend muss ich aber sagen, dass das natürlich mit einer fremden Person mit Sicherheit in dieser Qualität nicht geklappt hätte.

Einige Tage später kam die erste große Enttäuschung. Das Telefon läutete und ich hob ab. Hören konnte ich, verstand aber kein Wort. Ich bekam nicht mal mit, wer am Telefon war. Das war eine riesige Enttäuschung. Am Abend kam aber die Entwarnung: Es war der Geschäftsführer meiner Heizungsfirma. Ein schmallippiger Schnellnuschler mit tiefer Stimme. Den kann selbst meine Frau kaum verstehen. Das zu hören war dann eine große Erleichterung für mich.

Das Hör- Sprachtraining nach der Implantation empfinde ich als wichtig. Lange Zeit konnte ich mit dem Hörgerät nur unzureichend hören und verstehen. Neue Begriffe, Fremdwörter etc. kannte ich vom Klang her nicht oder nur unzureichend. Plötzlich hört man wieder so viel mehr und kann das Gehörte nicht richtig einordnen. Durch gezieltes Hörtraining wird das Erkennen des Gehörten enorm beschleunigt.

Auch die Sprache leidet natürlich unter dem unzureichenden Verstehen. Man spricht unsauber und verwaschen. Mit dem CI kann man die eigene Aussprache plötzlich wieder besser kontrollieren. Auch hierbei beschleunigt die professionelle Unterstützung in der Reha den Trainingserfolg enorm. Beim Hören von Vogelgezwitscher muss ich immer an die Baumrainklik denken, denn dort hat mir Herr Bellegnech die hohen Frequenzen zugegeben und ich konnte erstmals nach ca. 20 Jahren wieder Vogelgezwitscher hören.

Das CI ermöglicht mir in vielen Fällen wieder ein normales Leben. Stärkere Einschränkungen gibt es eigentlich nur bei Musik und im Störlärm. Nachteilig, durch die einseitige Versorgung, ist auch das fehlende räumliche Hören.

Beim Musikhören fällt mir Wilhelm Busch ein:

"Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden".

Das ist zwar etwas übertrieben, denn angenehm klingt es manchmal schon, aber von Musikgenuss zu sprechen wäre schon arg übertrieben.

Auf dem rechten Ohr bin ich seit 1979 unversorgt. Wenn das HG auf die erforderliche Verstärkung eingestellt wird, schmerzt mich das Hören. Wird das HG so eingestellt, dass es nicht mehr schmerzt, dann ist der Hörerfolg völlig unzureichend. Da die erhöhte Gefahr besteht, dass das auch beim CI so ist, belasse ich es bei der einseitigen Versorgung. Wenn ich aber noch einige Jahre jünger wäre, würde ich keine Sekunde zögern und auch das zweite Ohr versorgen lassen. Für das Berufsleben und auch in allen anderen Lebensbereichen, bringt das 2. CI einen enormen Zugewinn an Lebensqualität.

Eine große Hilfe waren für mich immer meine Familie und meine Freunde. Ohne deren Unterstützung und Rücksichtnahme wäre mir mit dieser extremen Schwerhörigkeit sicher Manches nicht so gut gelungen.

Auch bei meinen Arbeitskollegen fand ich meistens Verständnis für meine Situation. Dies fördert sicher auch mein offener Umgang mit der Schwerhörigkeit. Ich habe meine Situation immer nur geschildert ohne dabei zu jammern, zu klagen oder gar anzuklagen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich eher nicht das typische Beispiel für einen Implantierten bin. Mir ist vieles zugeflogen das sich andere erst mühsam erarbeiten müssen. Eine vollkommen problemlose Op, praktisch keine Nebenwirkungen, keine Schmerzen nach der OP und ein sehr hohes Sprachverständnis, das letztendlich auch noch überraschend schnell eingetreten ist.

Ulrich Rauter Buchbergblick 8, 63505 Langenselbold, Tel. u. Fax 06184 1662
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