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Rudolf Schütz: CI-Patient von 1986

und damit ein Patient der ersten Stunde in Hannover


Als Vorstandsmitglied im CIV HRM möchte ich mich kurz vorstellen:
Mein Name ist Rudolf Schütz, ich wohne in Königstein im Taunus und bin Jahrgang 1941.
 
Seit der Gründung des CIV HRM bin ich als 1. Beisitzer im Vorstand aktiv.

 
Im Alter von 7 Jahren erkrankte ich an Hirnhautentzündung und verlor dadurch mein Gehör. Im Laufe der folgenden Jahre wurde vergeblich versucht mit handelsüblichen Hörgeräten Besserung zu erzielen, so dass ich meine ganze Schulzeit sowie den größten Teil meines Berufslebens in völliger Taubheit verbringen musste. Ich besuchte zuerst die Regelschule in Falkenstein und abschließend zwei Jahre die damalige Taubstummenanstalt in Camberg. Da man sich in dieser Schule bemühte, den Kindern die Lautsprache beizubringen, hatte ich während des Unterrichts viel Leerlauf, da ich schon sprechen konnte. Auf Initiative des Direktors bekam ich zusätzlich Einzelunterricht und konnte mir somit zusätzliches Wissen aneignen. Ich habe immer lautsprachlich kommuniziert. Die Gebärdensprache beherrsche ich nicht.
 
Nach dem Schulabschluss machte ich eine zweijährige Lehre als Reprograf. Im Anschluss daran erlernte ich den Beruf des technischen Zeichners mit Fachrichtung Maschinenbau. Ich hatte das Glück fast 43 Jahre in der gleichen Firma zu arbeiten. Leider wurde meine Firma verkauft und im Rahmen einer Fusion ca. 110 Kilometer von meinem Wohnort nach Stadtallendorf verlegt. Auf Grund meiner Behinderung war der Eintritt in den Vorruhestand im Alter von 58 Jahren möglich, sodass ich diesen weiten Weg täglich nicht zurücklegen musste.
 
Im Jahr 1985 wurde ich in der Bild Zeitung auf eine neue Operationsmethode aufmerksam mit der viel versprechenden Überschrift „Taube können wieder hören". Es handele sich hierbei um ein vom Herzschrittmacher abgeleitetes Gerät, wobei ein Teil im Innenohr implantiert wird, welches mittels elektrischer Impulse die Hörnerven stimuliert und diverse Töne erzeugt, usw. Also das heutige Cochlear Imlantat. Diese Operationen wurden damals nur an der Medizinischen Hochschule Hannover unter Herrn Prof. Lehnhardt durchgeführt. Da ich nichts zu verlieren hatte, meldete ich mich zu einer dreitägigen Voruntersuchung an, welch im Oktober 1985 stattfand. Man teilte mir mit, meine Hörnerven seien noch intakt und es bestehe die Möglichkeit der Versorgung mit der Innenohrprothese. Ich habe mich natürlich sofort zur Operation entschlossen.
 
Am 27.05.1986, im Alter von 45 Jahren wurde dann rechtsseitig von Herrn Prof. Lehnhardt die Implantation durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon 37 Jahre taub. Anzumerken ist, dass das ganze Verfahren noch in den Kinderschuhen steckte und noch nicht genügend Erfahrungswerte vorlagen. Diesbezüglich operierte man auch anfangs nur solche Patienten mit vorhandenem Spracherwerb, um eine klare Aussage über das Gehörte in Erfahrung zu bringen. Wenn man so will waren wir als Patienten zu dieser Zeit Versuchskaninchen. Ich war ja auch damals erst der 27. Patient in Deutschland überhaupt, der mit einem CI versorgt wurde.
 
Jetzt habe ich das CI schon 17 Jahre und es funktioniert bei mir ohne Nebengeräusche mit Lippenablesen ganz gut. Teilweise sind einzelne Sätze, Wörter oder Zahlen auch ohne Lippenablesen verständlich. Ich möchte hier im einzelnen nicht näher darauf eingehen. Es gibt für meine Situation nichts besseres, ich bin zufrieden und kann damit leben.
 
Anfang 1990 wurde ich auf das Bestehen einer Selbsthilfegruppe in Frankfurt aufmerksam, welche sich Cochlear Implantat Selbsthilfegruppe Hessen nannte. Es war für mich selbstverständlich dort Mitglied zu werden, denn ich versprach mir davon durch Gedankenaustausch neue Erkenntnisse in Bezug auf Information, Beratung Technik usw. Außerdem interessierte mich, wie andere CI-Träger mit den unterschiedlichsten Fabrikaten zurechtkamen bzw. hörten sowie der Erfahrungsaustausch. In dieser Selbsthilfegruppe gehörte ich dem Vorstand einige Jahre als Beisitzer und zuletzt bis zur Auflösung kurze Zeit als Kassenwart an. Im September 2002 erfolgte die Auflösung dieser Selbsthilfegruppe.
 
Gleichzeitig wurde der Cochlear Implant Verband Hessen – Rhein Main (CIV HRM) gegründet, dem ich jetzt als Beisitzer im Vorstand angehöre. Hatten die Zusammenkünfte in der alten Selbsthilfegruppe seinerzeit überwiegend geselligen Charakter, so wurde im CIV HRM mit neuem Vorstand sofort voll durchgestartet. Insbesondere unser umtriebiges, engagiertes und ideenreiches Vorstandsmitglied Michael Schwaninger setzte hier vollkommen neue Akzente. Hervorzuheben ist die in kürzester Zeit entstandene Mitgliederzeitschrift, die ich für unsere bescheidenen Verhältnisse und der noch geringen Mitgliederzahl sehr gut finde und das Programm für das 1.Quartal 2003, das sich sehen lassen kann. Da ich keine Seminare wie z.B. in Bad Berleburg besucht habe, bin ich auf das angebotene Hör- und Sprachtraining für CI-Träger sehr gespannt. Wir hoffen auch weiterhin für unsere Mitglieder und Betroffene Angebote wie Arbeitstagungen und Informationsveranstaltungen anbieten zu können. Selbstverständlich sind alle Mitglieder, Freunde und Gönner unseres Vereins hierzu immer herzlich willkommen.
 
Für die Zukunft wünsche ich mir eine vermehrte Öffentlichkeitsaufklärung, insbesondere durch di 
Medien, damit möglichst vielen Gehörlosen geholfen werden kann aus ihrer schicksalhaften Stille herauszufinden. Auch sollte man dabei auf die Existenz unseres Vereins hinweisen bzw. aufmerksam machen, denn wir verstehen uns indirekt als eine der ersten Anlaufstellen für Informationen über das CI.
 
Rudolf Schütz
November 2002
 
 
  • Erstellt am .