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Die Entscheidung für das CI - ein langer Weg

Ich wurde am 22.03.1985 mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit beidseits geboren. Dank der Hartnäckigkeit meiner Eltern den Ärzten gegenüber wurde diese bereits nach 11 Monaten erkannt und ich mit Hörgeräten versorgt. Ich habe das Verstehen sowie Sprechen sehr gut gelernt, so dass ich mit Hilfe der Mikroportanlage nur Regelschulen besuchte und 2004 mein Abitur machen konnte! Dass diese 13 Jahre Schule dennoch nicht so spurlos an mir vorbei gegangen sind, machte sich jetzt bemerkbar. Mein sowieso schon schwächeres Ohr wurde nochmal schlechter und der schon ab und zu vorhandene Tinnitus, chronisch. Schnell kam von Seiten meiner Eltern die Überlegung für ein Cochlear Implantat. Doch ich wollte nicht. Es würde heißen, dass ich mein Restgehör, so wenig es auch war aufgeben müsste. Aber es bewirkte, dass ich mich mit dem Gedanken befasste. Währenddessen wurde der Tinnitus auf dem schwächeren Ohr immer stärker und ich trug das Hörgerät immer seltener. So hatte ich im Frühjahr 2005 schließlich das Gefühl auf diesem Ohr "nichts mehr verlieren zu können". Dennoch war ich noch unsicher, ich wollte mich erst einmal in einer Klinik informieren und hören was die Ärzte zu mir sagen. Wir suchten uns die Klinik mit den meisten Erfahrungen und ich kam im Juli 2005 zur Voruntersuchung in die Medizinische Hochschule Hannover. Für die Ärzte dort war das Ganze gar keine Frage, sie empfahlen mir sofort ich solle mich operieren lassen! Für die kamen sogar beide Ohren für eine Operation in Frage. Das war für mich jedoch nun gar kein Thema, mein besseres Ohr wollte ich auf jeden Fall "behalten"! Etwas überzeugter und vor allem informierter kam ich aus Hannover zurück. Ich überlegte hin und her, dabei ging mir immer häufiger durch den Kopf: "So wie es jetzt ist, kann es nicht weiter gehen." und "Schlechter kann es auf dem Ohr nicht mehr werden, bei der momentanen einseitigen Belastung sehr wohl aber auf dem anderen." Schließlich war ich mir dann sicher: "Ich will ein CI!"

Operation und Erstanpassung - Erfolgversprechend!

Ich bekam einen Operationstermin für Ende Februar 2006. Die Entscheidung "welches Implantat?" fiel mir nicht schwer: Nucleus (Cochlear)! Es gefällt mir von der Optik und hat schlichtweg einfach den Vorteil, dass ich meine Mikroportanlage von Phonak weiter benutzen kann. In der Klinik angekommen, wurde mir eine Studie vorgestellt, bei der ein Implantat mit zwei Elektrodenträgern entwickelt wurde, um die Elektroden näher bis zur Spitze des Innenohrs führen zu können. Es sollte getestet werden, ob dadurch ein natürlicherer Klang und ein besseres Sprachverstehen erzielt wird. Ich war mir schnell sicher, wenn ich damit der technischen Entwicklung helfen kann, möchte ich an der Studie teilnehmen. So bekam ich dieses Implantat (Nucleus 24 Apical). Die Operation verlief gut und auch die anschließende Heilung ohne jegliche Komplikationen. Anfang April 2006 war es dann endlich soweit, ich bekam meinen Sprachprozessor! Aus Studiengründen war dies zunächst der 3G. Den Freedom würde ich dann nach einem Jahr bei Abschluss der Studie erhalten. Da ich wusste, dass die Eindrücke und Erfolge individuell sind, hatte ich meine Erwartungen klein gehalten: "Ich will mehr hören als vor der OP". Nun, das war bei praktischer Taubheit und ohne Sprachverständnis auf dem betroffenen Ohr nicht wirklich schwer und für mich dennoch ein Gewinn! So war ich etwas aufgeregt, da ich nicht wusste was mich erwartet und hochmotiviert mein Bestes dabei zu geben! Die Woche der Erstanpassung verlief sehr zufriedenstellend. Bereits am ersten Tag konnte ich Geräusche hören und bei den ersten Übungen des Hörtrainings lernte ich schnell. Am Nachmittag des ersten Tages gab's einen kleinen Zwischenfall - ich hörte nichts mehr! Nach erster Verzweiflung habe ich mir einen Termin im Hörzentrum geben lassen und es stellte sich raus: Mein Ohr hatte sich schon so sehr an die Impulse gewöhnt, dass der am Morgen als laut empfundene Strom nun zu schwach war, um etwas zu hören. Also gleich nochmal neu eingestellt und dann ging's wieder! Am zweiten Tag fing es an, dass ich Stimmen raus hörte und bis zum Abend konnte ich schon ein wenig verstehen. Ab dann lief auch das Sprachtraining immer besser und am Ende der Woche ließ mich die Pädagogin mit meiner Großmutter telefonieren, wobei ich zwar nicht alles verstand, aber - es klappte!

Das Jahr nach der OP - Der Erfolg wird sichtbar

Auf eine der Erstanpassung anschließende Reha verzichtete ich aufgrund meines Studiums. Dafür übte ich das Hören und Verstehen in den folgenden Monaten zu Hause noch fleißig weiter. Gezieltes Hörtraining am PC oder mit meiner Mutter zeigten stets kleine Verbesserungen. Aber auch bewusstes Verzichten auf Lippenlesen und Horchen auf Umgebungsgeräuschen, die ich noch nicht kannte gaben mir viele kleine Erfolgserlebnisse. Der Erfolg wurde sichtbar. Bei den Nachsorgeterminen in der Klinik durch bessere Testergebnisse. Für meine Mitmenschen dadurch, dass ich weniger nachfrage, nicht mehr so oft auf den Mund schaue und auch auf größere Entfernung reagiere. Und für mich dadurch, dass ich mehr mitbekomme und trotzdem weniger erschöpft bin. Das Hören ist schlichtweg "einfacher" geworden! Ein sehr schöner Nebeneffekt war das verschwinden des Tinnitus auf dem CI-Ohr. Er wechselte zwar auf das andere Ohr, wo ich vorher fast keinen Tinnitus hatte, war aber bei weitem nicht mehr so stark und vor allem nur noch selten. Der einzige "Knackpunkt" an der ganzen Geschichte waren und sind die Nebengeräusche. Wird es in der Umgebung laut verstehe ich nicht mehr viel. Dies zeigt sich auch an den Testergebnissen in der Klinik. Während ich in ruhiger Umgebung fast 100% Sprachverständnis erreiche, schaffte ich bei den Tests mit Störgeräuschen bisher bestenfalls knapp 20%. In der Realität sind die Störgeräusche dann allerdings doch meistens etwas leiser als in den Tests, auch kann ich mir oft mit zusätzlichem Lippenlesen weiterhelfen, so dass das Kommunizieren in der Regel ohne größere Probleme funktioniert. Die größte Hilfe in lauten Umgebungen ist für mich allerdings das Zuschalten des Hörgeräts! Ich kann nicht sagen, ob es an dem Hören mit Hörgerät, oder einfach nur an der Tatsache, dass ich auf beiden Seiten höre liegt, aber es lässt die Nebengeräusche leiser erscheinen und erleichtert das Erkennen der Stimme. Wenn ich mich dann mal ärgere, dass mir die Störgeräusche so schwer zu schaffen machen und ich denke "muss ich halt noch mehr üben", vergesse ich dabei oft, dass diese Nebengeräusche mir auch schon vorher das Verstehen erschwerten, als ich nur Hörgeräte hatte - auf beiden Seiten. Trotz dem "Nebengeräusch-Manko" dauerte es nicht lange bis ich die CI-Seite immer mehr bevorzugte. So fing ich schnell an aufzupassen, auf welcher Seite ich laufe oder sitze, nämlich immer mit dem CI zum Gesprächspartner! Und selbst beim telefonieren bevorzugte ich nach ersten Testtelefonaten schnell das CI. Damit hörte ich bereits ein Jahr nach der OP nicht nur besser als vor der OP, sondern besser als jemals auf einem Ohr!

Zwei Jahre nach der OP - ich will noch eins!

Jetzt sind zwei Jahre seit der OP vergangen. Und so sicher ich vor zwei Jahren wusste "mein besseres Ohr will ich auf jeden Fall "behalten"", so sicher weiß ich heute "ich will ein zweites CI!". Die Entwicklung des CI-Ohrs ist in dem zweiten Jahr stabil geblieben. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass das Ergebnis noch kein Endergebnis ist. Ich bin überzeugt, dass ich mit intensiven Lernphasen so manche Testergebnisse noch beeinflussen könnte. Dadurch hat das Hören für mich heute eine ganz neue Bedeutung bekommen. Es ist trainierbar. Das waren für mich schon vorher die Augen, das Schmecken, Riechen und Tasten, jedoch nie das Ohr! Und diesen Zustand, dass ich das Hören "selber in der Hand habe", den wünsche ich mir auch für das andere Ohr. Ein weiterer wichtiger Faktor, der meine Entscheidung beeinflusst ist die Entwicklung meines Hörgeräte-Ohrs. Ich sehe hier den Anfang von dem Abfall des anderen Ohrs damals. Die Hörkurve liegt heute ungefähr da, wo die meines schlechteren Ohrs anfangs war. Der seit der OP selten vorhandene Tinnitus ist in diesem zweiten Jahr chronisch geworden und zuletzt auch immer stärker. Für mich ein eindeutiges Signal der Überanstrengung des Ohrs. Ich frage mich also: "Warum warten, bis die Hörkurve nochmal abfällt und dann in einem Bereich liegt, in dem kein Sprachverständnis mehr möglich ist?" und "Warum "zuschauen", wie der Tinnitus immer stärker wird und mir die Nerven raubt?". Kurz: "Warum mich diesen Anstrengungen aussetzen, wenn ich das Hören "einfacher" haben kann?"! Das CI-Ohr ist erstaunlicher Weise weiterhin weitgehend von Tinnitus verschont geblieben. Hier habe ich lediglich ab und zu mal Tinnitus und dieser hält dann nur kurz an. Noch ein weiterer Grund, der für ein CI spricht! Ich bin mir dabei bewusst, dass auch diesmal der Erfolg und die neuen Eindrücke nicht vorhersehbar sind. Dennoch schätze ich heute das Potenzial eines Implantates höher ein, als das was mir mein Ohr noch zu bieten hat. So bin ich, ohne auf konkrete Erwartungen zu hoffen, optimistisch, dass ich mit dem Ergebnis einer zweiten OP zufrieden sein werde!

Fazit

Ich halte es für wichtig, dass man sich selber ganz bewusst für diese Operation entscheidet. Heute denke ich, "hörtechnisch" hätte ich mich früher operieren lassen sollen. Ich hätte mir dadurch ein langes, sehr anstrengendes Jahr ersparen können. Dennoch halte ich es auch im Nachhinein für richtig gewartet zu haben. Meine Überzeugung, der Wille, die Hoffnung und die Motivation bezüglich der Operation, waren für das Durchstehen der darauf folgenden Zeit entscheidend. Insbesondere bei dem neuen "Hören lernen", was aus üben, üben, üben, … besteht, denke ich, hängt der Erfolg doch auch sehr stark von der eigenen Bereitschaft und Leistung ab.

Schlussbemerkung

Ich habe versucht, möglichst kurz und trotzdem noch für jeden verständlich ein Gesamtbild meiner Erfahrungen mit dem CI wiederzugeben. Es gibt zu jedem Abschnitt des Berichts noch jede Menge Details zu erzählen. Sollten Sie sich für einen bestimmten Teil besonders interessieren oder einfach so gerne noch mehr erfahren wollen, stehe ich für Fragen per Email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! gerne zur Verfügung!


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