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Mal schräg und mal schön....

Vor meiner Ertaubung war das Musizieren mein wichtigstes Hobby. Schon im Alter von 5 J. haben mich meine Eltern in den Blockflötenunterricht geschickt. Später habe ich Querflöte, Gitarre und Trompete gelernt. Bis zum Beginn meiner Hörschädigung habe ich in einem Flöten-Ensemble gespielt und in meiner Familie wurde viel musiziert. Dass ich diese Möglichkeit 2005 verloren habe, war für mich ein schwerer Schlag. Die Leidenschaft zur Musik habe ich allerdings nie aufgegeben. So habe ich mir nach langen Überlegungen selbst Mut zugeredet, mir einen Wunsch zu erfüllen, den ich seit meiner Jugend hege, und Geige spielen zu lernen. Aber Geige spielen mit 2 CIs, geht das überhaupt? Eine gebrauchte Geige hatte ich schnell gefunden, aber nun musste ich eine Geigenlehrerin suchen, die bereit war, dieses Experiment mit mir zu wagen. Dabei hatte ich großes Glück. Ich wusste nicht, ob es klappen würde oder ob ich meinen Traum schon bald wieder begraben  müsste. Meine ersten Unterrichtsstunden im Januar 2011, in denen hauptsächlich die richtige Körperhaltung und die Haltung der Geige und des Bogens geübt wurde, habe ich mit viel Herzklopfen erlebt. Meine beiden Sprachprozessoren (Freedom v. Cochlear) stelle ich auf das Programm „Music“, so höre ich die Töne annähernd natürlich. Meine Geige hatte ich im Februar sogar im ICF dabei. So konnte ich eine neue Einstellung mit meinem Techniker besprechen und gleich ausprobieren. Zu Beginn fand ich es sehr schwierig, da es bei der Geige keine Anhaltspunkte gibt, an welchen Stellen man den Finger auf die Saite aufsetzt. Ich präge mir einerseits die Position und den Abstand der Finger ein, andererseits versuche ich, den Ton möglichst genau zu hören. Zuerst habe ich nur 2 Töne gelernt, dann 4 und nach und nach die ganze Tonleiter. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich durch das tägliche Üben und die Unterrichtsstunden mein „Musik-Hörvermögen“ enorm verbessert hat. Jedes Mal, wenn ich üben möchte, muss ich zunächst die Tonleiter mehrmals spielen, um mich „einzuhören“. Dabei werden die Töne immer klarer und deutlicher erkennbar für mich. Meine Lehrerin zeigt mir beim Einspielen mit ihrem „Daumen hoch oder Daumen runter“, ob ich den Ton etwas höher oder tiefer spielen muss. Zu Hause habe ich in den ersten Wochen ein Stimmgerät benutzt, um den richtigen Ton zu kontrollieren oder mein Mann musste eben zuhören und seinen Kommentar abliefern. Inzwischen brauche ich das nicht mehr und verlasse mich auf mein Gehör. Anfangs hat alles oft sehr schräg geklungen und auch die Begleitung am Klavier hat mich eher verunsichert, aber inzwischen finde ich immer öfter den richtigen Ton und die Klavierbegleitung finde ich sehr schön. Das ist viel mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Für mich persönlich ist es ein großes Geschenk, dass ich (wider Erwarten) wieder Zugang zur Musik gefunden habe und endlich wieder musizieren kann. Mehrere Instrumente gleichzeitig zu hören ist nach wie vor sehr schwierig, deshalb werde ich wohl nie in einem Orchester mitspielen können. Mein eigenes Instrument und ein weiteres dazu ist aber durchaus möglich. Mein erstes Etappenziel ist, dieses Jahr für meine Familie an Heiligabend ein oder zwei Weihnachtslieder zu spielen. Vielleicht begleitet mich mein Mann auf der Trompete oder Zugposaune. Dann hängt für mich „der Himmel voller Geigen“.

Ich möchte hiermit anderen CI-Trägern Mut machen, sich mit der Musik zu befassen und nicht gleich aufzugeben. Wer es nicht versucht hat schon verloren.

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