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New York, eine Reise allein mit CI

Nun hatte ich mich doch entschieden, diese Reise zu meiner Tochter allein anzutreten, so wie es mein Mann vorgeschlagen hatte.

Bei dieser Screening-Formalität im Flughafen zeigt man generell Verständnis, ich zeige auf das sichtbare Attribut meiner Behinderung, das CI, und ernte ein O.K., warten Sie, eine Frau tastet mich ab, alles o.k., bis nach Philadelphia.  2 Stunden Zeit für das „Umsteigen“ vielleicht kann ich etwas von dieser Stadt sehen oder fotografieren? Die Lautsprechanlage verkündet etwas, aber ich verstehe es nicht, wie immer.

Steht ja dort auf den Bildschirmen illustriert, sogar in französisch untertitelt, alles klar. Vorsichtshalber frage ich noch mal eine unterwegs befindliche Beamtin: wo geht es nach Newark weiter? Ja, hier lang also, klar. Sie trägt eine Uniform, also muss das stimmen (meine ich). Endlose Menschen-Schlangen, von einer Ecke zum nächsten Winkel. Langsam geht's weiter, neben mir ein junger Mann aus Russland will nach L.A., wir unterhalten uns auf englisch, denn wie immer klappt das Hören jetzt so gut, auch in ungewohntem Englisch, „was, wir müssen unsere Koffer holen?“ staune ich – und ärgere mich, denn wieder hab ich nichts verstanden was über Lautsprecher kam... „aber das wurde doch im Flugzeug angekündigt!“ „Ooch nee, hab ich nicht gehört, eigentlich verstanden, wissen Sie, ich habe da so ein Ding am Ohr, weil ich nichts höre...“ (also stimmte das ja gar nicht, was die Dame in Uniform sagte!) „ach so!... zuerst den Koffer holen, und wie geht’s dann weiter?“ Wenn ich das gleich gewusst (gehört) hätte, wäre ich nun schon viel weiter, hätte mir eine Menge Umwege erspart! Beim nächsten Schalter ausgecheckt, ein Mann mit grimmiger Mine sagt was, ich verstehe nicht richtig was er in seinem Glaskasten sagt, aber unbekümmert (oder leichtsinnig - nein, eilig wegen der verlorenen Zeit!) geht's weiter, Gepäck aufgeben, anschließend wieder baggage claim, wieder screening, gate nach Newark, uff, noch mal gut gegangen! Doch noch 45 Minuten Zeit, gut, ich setz' mich und guck zu, viele Leute, die Dame am Desk sagt was ins Mikrofon - aber was sagte sie, so angestrengt ich auch lausche, kann es einfach nicht verstehen, also, bloß kein Risiko, es könnte ja wichtig sein, ich geh mal hin, excuse me please, ich höre nicht, können Sie mir sagen was... die junge Dame guckt, will meinen Boarding pass sehen, versteht nicht, verkündet mir, dass ich ein Ticket 2. class habe - was ich ja eigentlich wusste, gate dort, auch nichts Neues. Meine Frage allerdings hatte sie nicht verstanden - oder einfach nicht richtig eingeordnet. Im Flieger unterhalte ich mich mit meinem Nachbarn – freue mich immer, dass es so gut klappt, mit dem Hören im Störgeräusch und trotz Müdigkeit, auch auf englisch. Einfach toll, dieses CI. Ich riskiere sogar einen Scherz, der auch gut ankommt, wir lachen, herrlich, wenn man diese Unsicherheit ablegen kann, wenigstens zeitweise. 

Newark. Landung pünktlich, Koffer unerwartet schnell in der Hand, wo bleibt nur die Tochter? Rolltreppe hoch... nichts, runter, auch nichts. Trouble shooting, ein Schalter mit einem netten Herrn gibt Auskunft.“ Er reicht mir freundlich sein Telefon: rufen Sie doch Ihre Tochter an!“ „Ach, ich hab da ein Problem, sehen sie“  und ich zeige mein CI und gleich bietet er an: „geben Sie mir die Nummer Ihrer Tochter, ich werde sie für sie anrufen“ und tat's für mich – wie lieb !  

Kleine Bemerkung meiner Tochter, Lehrerin: ach, das ist ja schrecklich ermüdend, dieses Nicht-Hören, und Dein ganzes Leben schon! Ich erinnere mich wie damals meine kleine Familie unisono lachend losbrüllte : Ah, die Mama hat wieder einen Scherz gemacht!!! Und das immer, wenn ich gut zu hören glaubte. 

 

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Heimreise, via Charlotte, NC, La Guardia Airport,  T° um und über 100° F.  Generelle Höllenhitze. Einchecken, was kann jetzt noch schief gehen? Mit den vorschriftsgemäßen 2 Std. Vorsprung sitze ich vor dem Schalter als eine der Ersten und warte. Ich beobachte wie die Schalterbeamtin eine Durchsage macht, (was hat sie bloß gesagt?..) einige Leute gehen mit ihrem Handgepäck an den Schalter, öffnen Letzteres, ich gehe auch hin, man kann ja nie wissen, nee, alles o.k., na, umso besser... ich setze mich wieder in die Nähe, wie dumm, dass ich immer nicht verstehen kann was da über die Lautsprecher geht, also ich passe gut auf, allerdings gehe ich zwei Mal hin, nicht ohne jeweils meinen Spruch vorzutragen: „wissen Sie, ich kann diese Lautsprechanlagen nicht verstehen, deshalb usw..“  Dann kommen da noch andere Ansagen, ich verstehe sie wieder nicht und gehe hin, „was wurde da eben gesagt…No?“ na gut, dann gehe ich wieder und setze mich in die vorderste Reihe, die wissen ja Bescheid... bei erneuten Ansagen höre ich Fetzen heraus wie Frankfort, Germany, eine Nummer... und schließlich dürfen wir alle rein, bei der Stewardess erkundige ich mich sicherheitshalber, alles o.k. und sehe plötzlich das blanke Entsetzen im Gesicht der Stewardess: „warum haben Sie sich denn nicht gemeldet, Sie wurden als einzige Passagierin zum Ausland gerufen, gesucht, Ihre Handtasche musste noch einmal durchsucht werden, ...“ auch sie versteht nicht, hat ja keine Zeit, konnte ja gar nichts erklären, dass ich sie zwar verstehe, aber nicht die Ansagen über Lautsprecher.  Das war es also, als sie immer wieder bei den Reisenden etwas oder jemand suchten, sie sahen mich doch dort sitzen, zwei mal hatte ich darauf hingewiesen, dass ich nicht höre! Wortlos, schicksalsergeben, reiche ich meine Tasche, wenn die anderen das nicht verstanden haben..

Leider ist mein Platz mittig, weder am Fenster noch am Gang, dann aber stelle ich fest, zwischen zwei sehr sehr netten jungen Leuten. Nachdem ich auf mein Instrument hinter dem rechten Ohr deute, wundert sich die junge Dame, die mir sehr aufmerksam zuhört, über mein hervorragendes Hören und gibt mir folgenden Tipp: „sagen Sie immer gleich, dass Sie taub, deaf! sind, nicht einfach schwerhörig, das kapieren die sonst nie!“ und ich fahre fort, mich angeregt mit meinen beiden Nachbarn zu unterhalten, „was, sie hören aber wirklich sehr gut, das ist ja erstaunlich, really, wonderful!“ bis ich dann doch, ob der vielen Emotionen, ermüde.

Endlich, endlich startet nun das Flugzeug um abzuheben, werde ich rechtzeitig in Charlotte, NC, ankommen und meinen Flieger nach Frankfurt bekommen? Das Flugzeug startet aber denkste - leider! stoppt nach wiederholten  Runden auf dem Flughafen, so an die 20 Mal, die Witterungs-Umstände sind zu riskant. In Charlotte angekommen, ist mein Flieger nach FfM weg!

Trouble shooting. Eine farbige junge Dame winkt mir freundlich zu und ich hole tief Luft, wie soll ich das nur alles erklären, zu allem Übel habe ich nun keinen einzigen Dollar übrig. Ganz ruhig und sachlich behandelt die Dame, nachdem ich sie mit einem ganzen Schwall an Nöten überschütte, meine Probleme eins nach dem anderen. „Bitte reden Sie langsam, laut und deutlich, ich bin taub“ Sie nimmt Rücksicht. Dann meinen Mann benachrichtigen (Nummer?), und sie reichte mir den Hörer, (Ach bitte, geht es noch etwas lauter?) dann „bitte noch lauter, so laut wie möglich“ und sie kommt meiner offensichtlich ungewöhnlichen Bitte nach, als der arme Mann, um 4 Uhr morgens, schlaftrunken, von meiner Verspätung erfährt, vernehme ich ganz leise einen traurigen Seufzer.

Ein Voucher: „Embassy Suite“. Ein  netter  Busfahrer zeigt mir, wo die Shuttles von der Embassy Suite halten. Es ist spät nachts, nieselt, ich reihe mich, hoffnungsvoll, in die Wartenden ein. Da kommen  Shuttles namens Hilton, Marriott etc. aber kein Embassy Suite. Ein freundlicher Shuttlefahrer versteht mein Dilemma, nachdem er mir sein Handy reicht und ich ihm mein Problem schildere, sagt auch er, unglaublich verständnisvoll,„o.k.,ich rufe ihn für Sie an, stellen Sie sich dahin, dort kommt er immer vorbei“. Der Bus mit Aufschrift E. S. kommt... und fährt vorbei, trotz nun gelichteter Reihen; ich verzweifele im Maße meiner Vereinsamung, denn  mein Rufen und Winken wurde wieder nicht gesehen, er fährt einfach vorbei. Der nette farbige Shuttlefahrer fragt wieder so nett, „immer noch nichts? O.k. ich rufe ihn noch mal an. Warten Sie dort!“ Und der Shuttle E. S. kommt und wieder - prompt vorbei, ich renne hinterher, gestikulierte wild, bis um die Ecke. Und zum dritten Mal hat der liebe Farbige ein Erbarmen, telefoniert nochmal, doch als ich ihn nun endlich wieder sehe, den Shuttle E.S., springe ich auf die Straße und versperre ihm den Weg, worüber der Mann sehr ungehalten ist. Nach einer unendlichen Fahrt leuchtet wie ein Wunder vor dem Eingang eines Übernachtungspalastes  die Aufschrift „Embassy Suite. 12 Uhr pm., Mitternacht, und ich komme in den Genuss von traumhaftem Luxus. Im Foyer stattlichen Ausmaßes produziert jedoch ein Wasserfall inmitten enormer Pflanzen ein gewaltiges Getöse und übermüdet und zermürbt bemühe ich mich erfolglos, die Empfangsdame zu verstehen. Wegen  meinem Bärenhunger kann ich nicht viel schlafen. Die Tageszeitung von diesem 1. Juli 2012 auf meiner Türschwelle trägt die Schlagzeile: „Historische, nie erreichte Höchstwerte bis weit über 100° F in etlichen US-Bundes­staaten“(auch in North Carolina).

Am Morgen heißt es: nur nichts riskieren, gleich mit dem Shuttle zum Flughafen, auch wenn die Abfahrt am späten Nachmittag „gescheduled“ ist. Man soll ja nie zweimal denselben Fehler machen – also sofort zur Dame am Schalter mein Hörproblem erklären und sage gleich, dass ich taub bin, gehörlos. No Problem! Wenn das gate öffnet, kommen Sie gleich zu mir. So werde ich als Erste in das Flugzeug geleitet, die gesamte Crew nimmt mich in Empfang, jeder stellt sich vor, und das, bis ich meinen Platz in der Economy Class einnehme. Eine VIP!!!

Es ist schön, dank dieses Wunders der Technik und der Medizin zu hören, im Gegenteil wäre es etwas Leichtes, als Ergänzungsmaßnahme in sämtlichen öffentlichen Einrichtungen eine Induktionsschleife einzurichten. Erfreulich waren die vielen verständnisvollen Menschen, die so freundlich ihr Telefon für mich einsetzten, das ist eine wundervolle Reiseerinnerung.

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