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Meine Hörreise

Von Kerstin Tautscher

Hallo, mein Name ist Kerstin Tautscher, ich bin 30 Jahre alt und komme aus Linz/Oberösterreich. Ich hatte als Kind öfters Mittelohrentzündungen und es wurde 1997 das erste Mal beidseits je ein Röhrchen (Pauken-Drainage) gesetzt. Normal hat man das Röhrchen ca. ein Jahr drinnen bis es dann im Gehörgang liegt, bei mir hat es der Körper jedoch nach drei Monaten schon abgestoßen.
 
Das linke Ohr hat dann auch gepasst, aber rechts leider nicht. Rechts wurde dann insgesamt sechs Mal ein Röhrchen gesetzt, aber mein Körper stieß dieses jeweils nach ca. drei Monaten ab. Daraufhin bekam ich ein goldenes Röhrchen gesetzt, dieses sollte ca. drei Jahre drinnen bleiben, leider war es bei mir nach einem Jahr im Gehörgang. Dann bekam ich eines mit einem Widerhaken, welches immer bleiben sollte.

Leider hat sich alles entzündet und war voller Eiter, welcher beim Ohr rauslief. Diese Röhrchen mit dem Widerhaken wurden mir ambulant entfernt und ich musste am Anfang jeden Tag, später alle zwei Tage in die Ambulanz zum Absaugen. Zehn Tage musste ich stationär eine Infusionskur machen, bevor eine Operation möglich wurde.

Der Eiter hatte Hammer, Amboss, Steigbügel und ein wenig vom Felsenbein aufgefressen. Bei dieser OP wurde ein Aufbau durch einen eigenen Knorpel gemacht und das Cholesteatom entfernt. Dies hatte ich insgesamt vier Mal.

Dann bekam ich eine Titanprothese statt der Knochenkette gesetzt. Diese wurde leider vom Körper nicht akzeptiert und musste wieder entfernt werden. Später bekam ich rechts ein Hörgerät.

Kurze Zeit drauf hörte ich mit dem linken Ohr auch immer schlechter. Vermutlich wurde dies von mehreren Gehörstürzen ausgelöst und ich wurde dann auch links mit einem Hörgerät versorgt. 2017 bei der Kontrolle sagte meine Ärztin, wenn es noch schlechter wird mit dem Hören, müssen wir uns wegen einem Cochlea Implantat (CI) unterhalten.

2018 wurde gesagt, es wäre so weit, ein CI würde nicht ausbleiben. Im September begannen die Voruntersuchungen für das CI und im Dezember 2018 wurde ich rechts implantiert. Im September 2019 wurde dann das linke CI gesetzt und man hat festgestellt, dass beim rechten CI die Elektrode in den Gehörgang gewandert ist und somit wurde gleich auch rechts die Elektrode wieder in die richtige Position gebracht.

Es wurde auch bei beiden Ohren vorsichtshalber mit einem Knorpel im Gehörgang die Elektrode geschützt, sodass sie nicht wieder wandern kann. 2020 stellte der Arzt bei der Halbjahreskontrolle fest, dass die Elektrode beim rechten Ohr leider doch wieder gewandert ist.

Somit kam es wieder zu einer OP und da wurde ein Knorpel und ein Knochen eingesetzt zum Schutz für die Elektrode. Bei der Jahreskontrolle 2021 war es leider wieder so, dass man schon den Elektrodenkopf im Gehörgang sah. Aber mein Arzt sagte, dass er noch ein bisschen mit der OP warten möchte, solange ich keine Beschwerden habe. Ich musste extrem darauf achten, dass ich keine Entzündung bekam. Anfang 2022 bekam ich aber dann leider so ein komisches Geräusch und vermehrt Schmerzen dazu.

Ende April machte ich dann einem Kontrolltermin aus. Das Geräusch und die Anzeichen erinnerten mich daran, als damals alles unter Eiter war. Vom Ohr her war Gott sei Dank alles in Ordnung, außer dass die Elektrode weiterwanderte und ich hatte noch einen Hörtest und ein Sprachaudio. Leider wurde festgestellt, dass das Kopfgerät defekt war und wir mussten das komplette CI auf der rechten Seite tauschen. Leider war ich bei einem Chargenfehler dabei. Anfang Mai 2022 wurde die OP durchgeführt und auch die Herstellerfirma gewechselt. Somit habe ich jetzt zwei Hersteller bei den CI`s ! Links habe ich AB und rechts Med-El.

Die Implantationen und Re-Implantation an und für sich fand ich nicht schlimm. Ich freute mich sogar 2018 und 2019, dass ich dann nach der OP wieder besser höre, weil schlechter konnte es nimmer werden. Ich hatte vor den CI-OP‘s schon Probleme mit dem Schwindel, aber da wusste ich, was ich dagegen machen konnte. Nach den CI-OP‘s war es ein anderer Schwindel, der mehrere Monate anhielt und ich konnte besser damit umgehen.

Als ich die Erstanpassung rechts hatte, war es am Anfang komisch, dass ich mit meinem „schlechten Ohr“ mehr hörte als mit meinem „guten“. Ich war sehr gerührt und konnte es gar nicht in Worte fassen, es war so ein schönes Gefühl.

Ich hatte und habe noch immer bei den Anpassungsterminen im Krankenhaus auch einen Termin bei der Musiktherapie und das ist echt schön und ich lernte weiter mit der Handy-App. Beim rechten CI hatte ich knapp sieben Monate die Technikstimme, egal welche Person gesprochen hat, es war alles eine Stimme, aber die legte sich von einem zum anderen Tag und ich konnte Kinder von Frauen und Männer unterscheiden und nach ca. 2-3 Wochen die einzelnen Personen.

Bei der reimplantierten Seite sind wir jetzt noch bei den Einstellungen. Aber sehr interessant ist für mich, dass auch vom Klang ein Unterschied ist zwischen den beiden Herstellern. In Österreich gibt es leider keine Hör-Reha für CI-Patienten.

2022 war ich in Bad Nauheim für vier Wochen auf Reha und kann es jedem CI-Träger nur empfehlen dieses Angebot zu nutzen. Seit der Reha habe ich auch ein bis zwei Mal in der Woche Hörtraining bei der Logopädie. Und ich finde es super, was man alles dort lernt. Und auch, wie man von Grund auf am besten Sachen übt, welche man dann für die Fortschritte braucht, die man über die App nicht üben kann. Ich würde jede/r CI-Träger/in raten, eine stationäre Hör-Reha zu machen, vor allem den Österreichern, da wir leider noch keine in Österreich haben.

Ich lernte leider erst Ende 2022 den Verein „Von OHR zu OHR“ kennen und kann jedem Hörbeeinträchtigten diesen Verein nur ans Herz legen. Man kann sich mit anderen Personen, welche das gleiche Handicap haben, austauschen und man ist nicht alleine mit der Einschränkung. Eigentlich mag ich fast alle Geräusche, bei denen ich wieder neu am Lernen bin. Aber gewisse hohen Töne mag ich gar nicht. Da bei mir alles schleichend kam und wir immer damit lebten, wurde ich nie ausgegrenzt.

Ich selber habe mich immer mehr und mehr zurückgezogen von gewissen Situationen, und da wurden mir persönlich bei der Reha die Augen geöffnet. Jetzt lerne ich wieder mich zu öffnen und Situationen, die ich gemieden habe, wieder zu machen. Zwar langsam und in kleinen Schritten, aber mein Umfeld baut mich auch sehr auf und sagt mir auch, dass es super ist, dass ich solche Sachen wieder probiere. Gespräche mit mehreren Personen sind für mich derzeit noch recht schwierig, ebenso Gespräche ohne Mundbild.

Auch wenn ich noch am Hören und Verstehen beim Lernen bin, bin ich froh, dass ich meine CI´s haben darf und hören kann. Ansonsten bin ich mittlerweile ohne meine CI´s beidseits ertaubt. Durch meine Hörtrainings und die sehr gute Betreuung beim Verein „Von Ohr zu Ohr“ meistere ich diese Situation sehr gut und meine Familie unterstützt mich auch dabei.

Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau in einer Bäckerei und konnte dann am Schluss nicht mehr in den Filialen arbeiten. Zum Glück konnte ich jedoch intern in der Firma wechseln.

Im Juni 2023 durfte ich nochmals auf Reha nach Bad Nauheim fahren. Ich durfte dort auch an dem Friedberger Symposium teilnehmen und ich war auch auf der Gesundheitstrasse in Bad Nauheim. Im Zuge der Reha habe ich mich mit vielen CI-Trägern aus Deutschland unterhalten und kam zu dem Entschluss, dass ein CI-Träger in Österreich gegenüber einem CI-Träger aus Deutschland große Nachteile hat; z.B. muss ich meine Batterien selbst bezahlen und auch die Technik (Lisa) und sämtliche Zusatzgeräte sind von mir selbst zu finanzieren. Mit viel Glück bekommen ich eventuell einen kleinen Anteil vom Bundessozialamt rückerstattet. Der einzige Vorteil für mich als Österreicherin ist, dass ich bei der Erstausstattung sowohl Batterien und aber auch die Akkus bekomme.

Ich bin sehr dankbar dass ich nach Bad Nauheim auf  Reha fahren durfte, denn in Österreich gibt es keine einzige Reha für CI-Träger.

Kerstin Tautscher
Oktober 2023