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Dank moderner CI-Technik bekam ich viel
HÖR-Lebensqualität zurück

Von Beatrix Herold

Mein Name ist Bea – ich bin aktuell 67 Jahre alt, verheiratet, habe zwei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.

Im Jahr 2018 sollte bei mir ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Mein aktives Berufsleben würde im Herbst zu Ende gehen und ich freute mich auf mehr Zeit für unsere beiden Enkelkinder und andere schöne Dinge.

Ich liebte meine Arbeit sehr – aktuell war ich damals seit 31 Jahren in der Verwaltung einer Behindertenwohnanlage tätig. Aber die letzten 1–2 Jahre empfand ich als sehr anstrengend und immer öfter kam mir der Gedanke: „Ich schaff das nicht mehr“. Was ich früher nie gedacht hätte: „Ich freute mich auf ein etwas ruhigeres Leben“.

Am Palmsonntag Ende März 2018 änderte sich mein Leben von heute auf morgen. Ich erwachte Sonntagnacht und bemerkte beim Aufstehen einen starken Schwindel. Das erschreckte mich ein bisschen und ich legte mich schnell wieder hin und schlief mit der Hoffnung weiter, dass später alles wieder gut sein würde. Am Morgen war der Schwindel noch viel schlimmer, ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten. Hinzu kam Übelkeit und starkes Erbrechen, welches nicht aufhören wollte.

Gleichzeitig hatte ich in meinem Kopf ein dumpfes Gefühl im rechten Ohr. Dieses Gefühl wanderte auf die linke Kopfseite und ich spürte dort so etwas wie einen Knall und plötzlich war mein Gehör links weg.

Ich fühlte mich hilflos dieser Attacke ausgeliefert.

Da ich seit über 40 Jahren Diabetiker Typ 1 bin und täglich mehrmals spritzen muss, bedeutet ein ungeklärtes Erbrechen Alarmstufe 1. Deshalb riefen wir den Notarzt.

Ich wurde in die städtische Klinik gebracht. Dort wurde ein Hirninfarkt vermutet. Es wurden CT und MRT, später sogar eine Lumbalpunktion gemacht. Außerdem wurde die Ursache der Gleichgewichtsstörung gesucht. Auf mein Hauptproblem, die plötzliche Taubheit, ging man nur wenig ein.

Da die Klinik keine HNO-Abteilung hat, wurde einige Tage später ein HNO-Arzt hinzugezogen. Therapeutisch war eine Behandlung mit Cortison nicht möglich, da dies nicht mit meinem Diabetes vereinbar ist.

Nach sechs Tagen wurde ich entlassen und war zuhause nur damit beschäftigt, meinen Schwindel, die Übelkeit und das Erbrechen zu behandeln. Ich fühlte mich schrecklich.

Nur mit starken Medikamenten (Vomex, Betahistin) hatte ich Erholungspausen, aber auf Dauer sollte ich davon wegkommen, da es die Genesung im Ohr blockiert. Wie sollte das gehen?

Ich testete den Ratschlag einer Freundin, ein homöopathisches Mittel „Vertigo heel“ einzunehmen. Und erstmalig ging es mir mit diesem harmlosen Mittel besser. Ich erzählte es dem HNO-Arzt, der persönlich nichts davon hielt, „aber wenn es Ihnen hilft…“.

Diverse Höruntersuchungen wurden gemacht und alle 14 Tage holte ich mir eine Krankschreibung nach der anderen ab. An arbeiten war überhaupt nicht mehr zu denken. Mich beunruhigte, dass von ärztlicher Seite nichts mehr unternommen wurde. Der nächste Termin sollte erst wieder in zwei Monaten sein.

Eine Freundin riet mir, eine Zweitmeinung einzuholen oder gleich in die HNO-Uniklinik Frankfurt zu gehen. Da mein eigentlicher, mir vertrauter Ohrenarzt noch gar nichts von meinem Hörsturz wusste, bat ich ihn um einen Termin. Ich war sehr überrascht, als sich herausstellte, dass er früher Oberarzt in der Frankfurter HNO-Uniklinik gewesen war.

Bei diesem Gespräch schlug er als Möglichkeit zur Rettung meines Gehörs eine Membran-OP vor und überwies mich als Notfall sofort in die UNI. - Dort wurde ich gründlichst untersucht und die Idee der Membran-OP (Tympanoskopie) wurde unterstützt. Der Arzt in der UNI meinte: „Wir bringen Sie wieder zum Hören – wenn nicht durch die OP, dann durch ein Implantat“.

Ich setzte alle Hoffnung auf die OP, aber leider brachte sie keine Verbesserung. Ich war sehr enttäuscht. Plötzlich war ich aber Kandidat für ein Cochlea Implantat (CI)! Und wollte es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht…..!!

Mir wurde gesagt, die Bedingung für ein CI sei, zuallererst beim Hörakustiker einige allgemeine Hörgeräte auszutesten. Mit einem solchen Gerät sollte ich dann ins Hörzentrum der Uni. Wenn sich herausstellen würde, dass dies nicht hilft, dann wäre die Krankenkasse bereit, ein Implantat zu zahlen. Man müsse diesen Weg gehen, um eine solche OP vorzubereiten.

Die nächsten 2-3 Monate war ich ständiger Gast bei einem Hörakustiker in Offenbach. Bei dem dortigen, sehr netten Akustiker habe ich viel gelernt. Und die ganze Zeit hoffte ich, dass ich dort mein altes Hör-Leben wieder finden würde….  Ich testete vier verschiedene Hörsysteme mit mäßigem Erfolg. Weil ich mich so gut betreut fühlte, kaufte ich am Ende ein Hörsystem, welches mir ein wenig zu helfen schien. Was für ein Irrtum!!

Im Oktober 2018 wurde mein Gehör dann in der UNI mit diesem Hörgerät getestet. Die Messwerte waren so unbefriedigend, dass zu einer CI-OP geraten wurde. Die Prognose sei wegen meiner erst kürzlich erfolgten Taubheit sehr gut. Ob ich damit einverstanden wäre?

Mir ging das in diesem Moment viel zu schnell. Ich wollte mich noch genauer informieren und wissen, welche Risiken ich eingehe, usw. Der Arzt erschien fast ein bisschen überrascht, dass ich sein großzügiges und vielversprechendes Angebot ablehnen würde. Aber er würde mich verstehen und ich könnte jederzeit wieder auf sein Angebot zukommen.

In der UNI hing der Infozettel einer Frankfurter CI-Selbsthilfegruppe unter der Leitung von Ingrid Kratz und ich entschloss mich, zum letzten Treffen des Jahres 2018 zu gehen und dort um Informationen zu bitten.

Ich war mir sicher, dort genau richtig zu sein. Denn so eine Situation hatte ich schon einmal in meinem Leben:

Als ich vor über 45 Jahren Diabetikerin wurde, war ich anfangs sehr erschrocken, mein ganzes weiteres Leben Insulin spritzen zu müssen. Ich war verunsichert und ratlos. Da ich gehört hatte, dass es Selbsthilfegruppen für die unterschiedlichsten Krankheiten gibt, suchte ich mir eine Gruppe für Diabetiker. Wie dankbar war ich, dort Menschen zu finden, die mir halfen, die Erkrankung zu verstehen. Es war hochinteressant, von ihren Erfahrungen zu hören und es wurde mir Mut gemacht, dass es trotzdem möglich ist, ein glückliches Leben führen zu können. -  Schon damals mit 21 Jahren wurde mir klar:

Selbsthilfegruppen haben einen unschätzbaren Wert!!

Ich meldete mich also in Frankfurt per Mail an und wurde von Ingrid herzlichst eingeladen.

Total überrascht war ich an dem Nachmittag, als ich im Lokal neben dem Frankfurter Römer auf eine riesengroße Gruppe von gut gelaunten Menschen traf, die sich bestens und ohne Probleme miteinander unterhielten. Alles war vorweihnachtlich geschmückt und der Ablauf des ganzen Nachmittages war liebevoll vorbereitet.

Diesen Artikel fand ich damals im Internet:

Obwohl ich dort eine fremde Person war und dies ein private Vorweihnachtsfeier zu sein schien, wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Ich saß neben zwei netten Damen, von denen die eine erst kürzlich ein Implantat erhalten hatte und die andere, wie ich, unentschlossen war.

Zufällig war auch ein Herr an meinem Tisch, der bei der Firma MED-El arbeitet und selbst Implantat Träger ist (heute weiß ich, dass es Arnold Erdsiek war, der Kolumnen für die „Schnecke“ schreibt). Ich war schwer beeindruckt von den Erzählungen.

An diesem Tisch wurden viele meiner Fragen beantwortet. Und die Begeisterung der Implantat-Träger hat mich sehr positiv beeinflusst und hoffnungsvoll gestimmt. Es gab tatsächlich niemanden, der diese Operation bereute!!  Ich wollte mich soooo gerne auch wieder so unbeschwert unterhalten.

Von Ingrid Kratz erfuhr ich, dass es wohnortnah für mich eine weitere SHG gibt, die Sabrina Franze leitet. Den Vorschlag fand ich sehr gut und im neuen Jahr schrieb ich Sabrina Franze per Mail an und bekam sofort Rückmeldung von ihr. Sie beantwortete über einen längeren Zeitraum geduldig schriftlich all meine Fragen und lud mich zu den Treffen ein. Bis heute bin ich sehr gerne Teilnehmerin ihrer Gruppe. Sabrina hat ein umfangreiches Wissen auf die vielen Fragen rund um das CI, zu den Alltagsproblemen im Beruf usw. Ich bewundere, wie sie trotz ihrer Berufstätigkeit, sich Zeit für diese ehrenamtliche Tätigkeit nimmt.

Gleich im neuen Jahr 2019 bat ich um einen Termin in der Uniklinik und wurde für die Vorbereitung einer OP zu einem Untersuchungstag eingeladen. Dort wurde die BERA-Untersuchung, MRT und Geschmackstest gemacht. Auch das Rezept für die Pneumokokken-Impfung erhielt ich.

Durch ein Gespräch mit zwei Teilnehmerinnen in der SHG von Sabrina Franze bekam ich den Tipp, vor einer Operation an einem Entscheidungsseminar in Bad Nauheim bei Dr. Zeh teilzunehmen. Im März 2019 bekam ich glücklicherweise dort einen Platz und sollte nach Möglichkeit auch meinen Mann mitbringen (der zu diesem Zeitpunkt sehr skeptisch war). Da diese OP keine leichte Entscheidung für mich war und in unserer Familie und Freundeskreis kontrovers diskutiert wurde, war ich sehr froh über diese Möglichkeit.

In dem Seminar wurde uns eine neue Welt des Hörens aufgezeigt, von der ich bisher wenig wusste. Und es war toll zu erleben, dass einige der Referenten und auch der Chefarzt Dr. Zeh Implantate tragen und gleichzeitig diese Schulung ohne Hörschwierigkeiten durchführen konnten. Danach war ich überzeugt, mich operieren zu lassen!! Und meine Euphorie steckte auch meinen Mann an.

Bei einer Unterrichtseinheit konnten wir uns die aktuellen CI-Modelle ansehen und auch ausprobieren, wie das äußere Teil auf dem Ohr sitzt. Besonders wichtig war für mich, ob mein künftiges CI MRT-tauglich ist.  Meine Wahl fiel auf ein Modell der Firma MED-EL. Mit dieser Wahl dachte ich, in Zukunft keine Probleme bei MRT-Untersuchungen zu haben.

Nach diesem Seminar hoffte ich darauf, so schnell wie möglich einen OP-Termin zu bekommen. Drei Monate später, am 4. Juni 2019 war es so weit.

Mich überraschte damals, dass ich vor dem Eingriff gar nicht ängstlich war. Aber die gute Aufklärungsarbeit im Vorfeld durch so viele Menschen, denen das CI-Thema am Herzen liegt, hat mir sehr gutgetan und ich bin mit viel Vertrauen und Zuversicht in die Klinik gegangen.

Operiert wurde ich in Frankfurt bei Frau Dr. Helbig, die ich bereits beim „Frankfurter Hör-Tag“ kennengelernt hatte und die mir damals schon sehr sympathisch war.

Nach der OP war ich glücklich, dass sich mein gutes Gefühl bewahrheitet hatte. Ich war rundum zufrieden mit dieser problemlosen OP ohne Schmerzen und Komplikationen danach.

Zwei Monate später folgte recht schnell eine stationären REHA in Bad Nauheim.

Die Themen waren für mich hochinteressant und ich lernte die mir unbekannten technischen Dinge zu bedienen. Ungewohnt war für mich, bei den Einstellungen mein eigenes Hören zu beschreiben; Was tut mir gut? Was hört sich unangenehm an?

Sehr hilfreich und herzerfrischend war der Kontakt mit den anderen CI-Trägern dort. Eine stationäre REHA empfehle ich sehr. Es ist eine sehr intensive Zeit.

In den Jahren danach wurde ich weiter sehr gut unterstützt beim Lernen / Anpassen durch das CIC-Frankfurt, das ich für meine ambulante REHA ausgesucht habe. Die individuelle Betreuung dort mit den sehr freundlichen und kompetenten Therapeuten machte Spaß und ich lernte u.a. viel über Streamen von Nachrichten und Musik. Auch das Telefonieren übte ich mit dem Handy. In der „Schnecke“ Nr. 110 vom Dezember 2020 habe ich ausführlich darüber geschrieben.

Das Hörgefühl mit meinem CI-Ohr lässt sich zwar nicht vergleichen mit meinem gesunden Ohr (hier kann ich den Unterschied jeden Tag ganz direkt merken), aber es ist die bestmögliche Lösung, die es im Moment für mich gibt. Ich bin bis heute sehr dankbar dafür, dass dieses Implantat von meiner Krankenkasse bewilligt wurde und möchte nicht mehr ohne sein.

Ich danke all diesen Menschen, denen ich bei den REHA-Maßnahmen begegnen konnte. Sie gestalten die Arbeit so vielfältig und abwechslungsreich und gehen auf individuelle Wünsche ein. Trotzdem behalten sie Geduld und gute Laune.

Nach der OP kam die Coronazeit und das bedeutete eine gewisse Schonzeit für mein Gehör. Es gab reduzierte Kontakte und die Gesprächssituationen zu zweit oder dritt war einfach und nicht anstrengend. Ich erlag der Illusion, dass ich jetzt fast alles wieder hören kann.

Aber nun, da das Leben wieder aktiver und lebendiger verläuft, habe ich beim Hören häufiger Probleme. Besonders in größeren Gruppen in Innenräumen fühle ich mich nach gewisser Zeit erschöpft und brauche Pausen. Ich hoffe, dass es mit dem Üben besser wird. Auch meine Schwindelgefühle sind nicht ganz verschwunden. Von Orten, die sehr laut sind, wie Hauptverkehrsstraßen mit viel Lärm, Kaufhäuser mit Berieselungsmusik möchte ich immer möglichst schnell flüchten.

Eigentlich könnte ich meinem Bericht jetzt schließen mit einem überwiegenden Positiv-Gefühl.

Aber nach drei CI-Jahren kam das MRT-Thema wieder zum Vorschein und dass ich solch unerwartete Erfahrungen machen sollte, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Vor über einem halben Jahr hatte ich akute Beschwerden im rechten Bein. Ich konnte längere Zeit nicht mehr richtig auftreten und laufen, weil mein Knie so stark geschwollen war. Nach langem Suchen, was die Ursache sein könnte und wochenlanger Schmerzmedikamenten, riet der Orthopäde zum MRT.

In meiner Naivität dachte ich, dies sei kein Problem. Schließlich hatte ich mich 2019 vor meiner CI-OP extra für ein MRT-taugliches CI entschieden. Ich meldete mich also in Offenbach beim Radiologen zum MRT an, legte der Arzthelferin Überweisung und meinen CI-Ausweis vor und bat sie, den Arzt zu informieren. Das sei kein Problem, ich solle nur meinen Ausweis zum Termin mitbringen.

Am Untersuchungstag war ich dann völlig überrascht und auch verärgert, dass ich plötzlich weggeschickt wurde mit dem Hinweis, sie würden keine MRT-Untersuchung bei mir mit meinem CI vornehmen.  Warum hatte man mir das nicht vorher gleich gesagt?? - ich hatte wochenlang auf den Termin gewartet.

Erst jetzt kam ich auf die Idee, die HNO-Uniklinik darüber zu befragen. Dort erfuhr ich, dass die Sache mit dem MRT doch nicht so einfach ist. Ich bekam ein Merkblatt geschickt mit der Beschreibung von sehr umfangreichen Vorbereitungen. Außerdem gab es im Raum Frankfurt nur einen einzigen Radiologen, der diese Untersuchung durchführen würde.

Mich schreckte die Beschreibung der Vorgehensweise so sehr ab, dass ich mich bis heute noch nicht zu einem MRT entschließen konnte.

Meine Unsicherheit fand Bestätigung, als ich bei der CIV-Mitgliederversammlung in Friedberg am 23.04.2022 den Vortrag zum Thema MRT von Frau Dr. Helbig hörte, denn

  • Der Wickelverband kann sehr schmerzhaft sein
  • Der Implantatmagnet kann sich verschieben. Eine Re-Operation kann drohen.
  • Re-Operation könnte Wundinfekte bedingen und noch weitere Risiken

Auch aus dem Kreis der CI-Träger meldeten sich kritische Stimmen. Sie hätten ein „mulmiges Gefühl“ und die Hoffnung, in Zukunft nicht zwingend ein MRT zu brauchen.

Der Begriff „MRT-tauglich“ führt nicht vor Augen, wie riskant und aufwendig ein MRT tatsächlich ist! Meine Bitte wäre, künftig darauf hinzuweisen z.B. in der HNO-Uniklinik, aber auch bei der REHA in Bad Nauheim.

Juni 2022
Beatrix Herold