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Mein Leben ohne Cochlea Implantat? Niemals!

Von Sarah Sza

Ich bin Sarah (21) und komme aus dem Osten. Ich trage zwei Cochlea Implantate der Firma Cochlear. Ich hatte keine einfache Kindheit, als Baby schien soweit alles in Ordnung. Arme dran, Beine dran, alles dran, doch etwas stimmte nicht mit mir. Ein paar Jahre später besuchte Oma zu uns und bemerkte, dass ich nicht auf Geräusche reagierte und auch nicht sprach. Die Oma meinte zu meiner Mama, sie solle mit mir zum Arzt gehen und mich deswegen untersuchen lassen.

Die Ärztin untersuchte mich und stellte die Diagnose „an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit“. Für Mama war das ein Riesenschock, denn die ganze Zukunft schien dahin. Sie wusste nicht, wie ich Kontakte knüpfen soll, ob ich selbstständiger werden kann, und und und.

Irgendwann gingen wir zum Akustiker zum Hörtest und anderen Untersuchungen. Auch das zeigte, dass die Hörkurve sehr schlecht war. Ich bekam im Jahr 2003/4 zum ersten Mal Hörgeräte, wunderschöne blaue Hörgeräte. Viel Verbesserung gab es damit allerdings nicht. Ich konnte auf laute Geräusche nur mit Schreien reagieren, Gesprächen konnte ich nicht folgen.

Ich trug die Hörgeräte gut 2-3 Jahre, dann sagte die nette Ärztin zu meiner Mama, dass es ein Cochlea Implantat gibt, das mir eventuell helfen könnte.

Wir machten ein Termin in der Uniklinik Dresden aus und ich wurde untersucht für ein Cochlea Implantat.

Im März 2006 bekam ich das Cochlea Implantat auf der rechten Seite. Ich musste für 2-3 Wochen im Krankenhaus bleiben, da ich Fieber hatte und die Narkose nicht vertragen hatte. Dann durften wir endlich nach Hause.

Vier Wochen später bekam ich den Sprachprozessor. Ich hörte nichts zu Anfang, da mein rechtes Ohr noch „eingeschlafen“ war. Doch nach ein paar Wochen passierte ein Wunder.

Ich konnte tatsächlich etwas hören. Ich war für drei Jahre in der Reha in Dresden. Ich übte vieles zu Hören und haben sprechen gelernt und bin auch oft beim Logopäden gewesen. Das war sehr anstrengend, aber es hat gelohnt.

Ich ginge auf Gehörlosenschule in Dresden. Die Grundschullehrer, Logopäden und meine Mama haben sehr geholfen, mir das Sprechen beizubringen. Ich bin bis heute so dankbar dafür, denn sonst könnte ich heute nicht normal sprechen.

In der Zeit bis zum Sommer 2017 passierte nichts, ich war einmal bis zweimal im Jahr zur Kontrolle in Uniklinikum Dresden, alles ganz normal.

Autsch...wieso tut mir mein rechter Nacken und die Schulter weh? Das ist bestimmt nur eine Verspannung, dachte ich ebenfalls.

Als ich im Praktikum war, musste ich schwere Ordner sortieren, dabei war ich allein im Raum. Mensch, wieso fühlt es sich wie ein Stromschlag an? Ich riss das Cochlea Implantat vom Kopf. Es war eine Ruhe. Ich kriegte etwas Angst und ich schrieb per SMS an meine Mama. Mama hat dann im CI-Zentrum angerufen und dort wurde ihr gesagt, dass wir ganz schnell herkommen sollen. Sie rief meinen Chef an und sagte, dass ich nach Hause kommen soll, denn es sei ein Notfall.

Sie schrieb mir gleichfalls, dass ich sofort nach Hause kommen soll und wir ins CI-Zentrum fahren müssen. Der Chef stand genau in dem Moment bei mir und sagte, dass ich ganz schnell nach Hause gehen soll. Ich kriegte Panik, weil ich tausend Fragen hatte... “Ist mein Implantat kaputt? Muss ich sofort in eine OP? Wie soll es jetzt weiter gehen?“ Als ich nach Hause kam, gingen wir los zum Bahnhof.

Zum Glück war jemand da, der aus der Schweiz kam. Er hatte ganz spezielle Technik dabei, mit der man das Implantat auch prüfen kann. Ich wurde kurz am Implantat untersucht und wir gingen auch zum Arzt.

Ca. zwei Stunden warteten wir im Warteraum. Ich habe nur geheult und Angst bekommen. Ich dachte, dass ich sofort operiert werden muss. In dem Moment kam mir auch der Gedanke, wie ich die Ärzte und Krankenschwestern verstehen sollte, wenn ich im Krankenhaus bin.

Komplette Taubheit tagsüber machte mich verrückt. Wir gingen dann wieder zum Arzt und uns wurde gesagt, dass 4 von 22 Elektroden kaputt sei und komplett ausgeschaltet haben und dass ich keine OP brauche. Ich war so erleichtert und habe auch an dem Tag gleich dem Arzt gesagt, dass ich eigentlich gern noch ein zweites CI haben möchte. Wir machten wieder einen neuen Termin aus für Beratung und Untersuchungen und Aufklärungen zur OP.

Bei mir wurde das Gleichgewichtsorgan getestet, Audiometrie, CT und viel mehr. Alle Befunde waren OK und ich konnte loslegen. Ich bekam für den 8. Februar 2018 einen OP-Termin.

Einen Tag davor war ich so aufgeregt, weil ich einerseits Angst hatte vor der Narkose, durch die damalige blöde Erfahrung und anderseits freute ich mich so sehr auf das zweite Implantat.

Am 8. Februar 2018 wurde meine linke Kopfseite kurz abrasiert. Das war richtig ungewohnt, dort eine kahle Stelle zu haben, aber sonst stören die Haare nur bei der OP. So sah ich an dem Tag vor der OP aus:

Gegen Mittag fuhren wir in den OP-Raum. Ich weinte vor Angst und hatte auch schon Krankenhaus-Koller. Nach gut vier Stunden war ich schon fertig. Im Aufwachraum sah ich als erstes auf die Uhr, es war ca. 14:40 Uhr. Ich wollte den Kopf drehen und den Raum sehen, aber ich konnte nicht, ich hatte leichte Schmerzen. Ich merkte, dass im Raum viele Ärzte standen. Wie ich vom Aufwachraum ins Zimmer gebracht wurde, kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Blackout.

Ich war trotz Narkose halbwegs fit. Als meine Mama nach Hause ging, schlief ich ein.

Ich wurde dann beim Abendessen geweckt. Ich hatte nicht so großen Hunger. Es gab trockenes Brot mit Wurst. Das war richtig fies. Jeden Biss tat weh bzw. ich habe den Schnitt hinter dem Ohr gespürt. Ich konnte nicht richtig essen. Ich musste so viel Speichel nehmen, um das Brot einweichen, das war hart. Danach schlief ich wieder ein.

Am nächsten Tag wachte ich auf. Mein Verband war verrutscht, ich sah richtig „bekloppt“ und lustig aus. Mir ging es etwas besser und ich war froh, dass ich die Narkose relativ gut vertragen habe.

Meine beste Mama besuchte mich täglich. Sie brachte immer was von zu Hause mit und nahm auch einige Sachen aus dem Krankenhaus wieder mit nach Hause. Ich bekam auch einen wunderschönen Teddy, den ich Luna nannte.

Ab dem dritten Tag ging es mir immer besser und ich durfte auch endlich aus dem Bett kommen. Ich bin im Flur eine Runde gelaufen mit Hilfe meiner Mama. Ganz alleine stehen konnte ich noch nicht, denn das Gleichgewicht war hin. Es hat sich wie auf dem weichen Schaukelboden angefühlt, später sind wir dann rausgegangen. Treppen steigen war unmöglich, es fühlte sich an, als würde ich schweben. Täglich gab es einen neuen Verband, ich suchte mir die Farbe Rot aus.

Am nächsten Tag …

… bekam ich den blauen Verband. Mir ging es soweit gut, dass ich bald danach nach Hause fahren durfte.

Vier Wochen später bekam ich den Sprachprozessor Nucleus 7. Ich hörte zunächst blecherne Töne, ich freute mich so sehr. Zwei Jahre lang folgte Reha mit viel Hörübungen. Ich merkte, dass mein neues linkes CI viel besser hörte als das alte rechte CI.

Es gab viele Veränderungen in meinem Leben. Ich hatte endlich Richtungshören. Komisch ist, dass wenn ein Geräusch von links kommt, dann denke ich immer, dass es aus der rechten Richtung kam. Ich musste immer wieder schmunzeln, aber es wird besser mit der Zeit.

Heute bin ich richtig froh, dass ich mich für ein CI entschieden habe. Ohne CI kann ich gar nicht leben. Es ist wie ein Leben ohne Freunde. Zum Schlafen ziehe ich immer die CIs ab, denn so habe ich meine Ruhe. Ich finde es gruselig, wenn ich nachts Geräusche hören müsste.

Ich bin allen sehr dankbar, die mich unterstützt haben, besonders DANKE AN MAMA.


Ich bin richtig happy. Ich bereue es keine Sekunde, diese Entscheidung getroffen zu haben.

Heute übersetze ich viele Kinderlieder auf Gebärdensprache auf YouTube (Sarah Sza Official). Früher mit nur einem CI konnte ich die Melodie nicht richtig hören, Heute klingt das alles schon viel besser dank meiner beiden Cochlea Implantate.

Sarah Sza.
Februar 2022