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Meine Hörreise bis zum Cochlea Implantat (CI)

Von Jasmin Puttkammer

Meine Hörreise begann am 16.05.2018, ich war 21 Jahre alt. Viele Ärzte standen an meinem Bett in der Klinik in Altona und erklärten mir, dass man keine Zeit verlieren darf und ich deshalb am 17.05.2018 sofort operiert werden muss. Mein CT war doch auffälliger als ich dachte. Sie erklärten mir, dass diese OP am linken Ohr sehr riskant ist, da sie noch Schlimmeres befürchten, als das, was die Ergebnisse sagten. Ich sollte mir aber keine Sorgen machen.

Sie erklärten mir, dass ich wohl eine Radikalhöhle haben werde, da sie alle Knöchelchen aus dem Mittelohr entfernen werden. Sie erklärten mir auch, dass diese Radikalhöhle fragil sein kann, also quasi „einstürzen“ könne und daher sei Vorsicht geboten.

Ich dachte mir, dass es nicht so schlimm sein wird und es nur ein Routineeingriff ist. Jedenfalls redete ich es mir ein, weil ich mir selbst keine Angst machen wollte. Das Narkosegespräch haben wir direkt auf dem Zimmer gemacht. Als die Ärzte den Raum verließen, war ich wie in einem Loch. Ich habe gleich jedem geschrieben, der wusste, dass ich operiert werde. Ich war Gott sei Dank nicht allein im Zimmer. Meine Bettnachbarin hat mich aufgebaut und mir gesagt, es würde alles gut werden. Und daran habe ich mich festgehalten.

Die Nacht war sehr bescheiden, es gab auch privat sehr viel Stress zu dieser Zeit, der mir zusätzlich zusetzte. Ich wusste, mein Hören ist danach weg, aber ich wusste nicht, ob ich Schmerzen habe würde.

Ich wurde gegen 12 Uhr am 17.05.2018 abgeholt und dann konnte ich nicht anders als weinen. Jeder im Krankenhaus war so lieb und hat mir gesagt, dass alles gut wird und dass ich keine Angst zu haben brauche. Ich bin wach geworden gegen 18 Uhr und litt leider unter Schwindel.

Mir fiel zudem das Atmen schwer, das beunruhigte alle sehr und dann bin ich wieder eingeschlafen. Ca 18:30 Uhr wurde ich aufs Zimmer gebracht und meine Bettnachbarin war sichtlich beruhigt mich wohlauf zu sehen. 

Wir quatschten die ganze Nacht und irgendwann schlief sie ein und ich war allein mit meinen Gedanken. Der private Stress steigerte sich enorm zu dieser Zeit. 

Am 18.05.2018 wurde der Druckverband aufgeschnitten und ich weinte, weil ich Angst hatte, wie mein Ohr nun aussieht. Ich wollte es nicht sehen und gehört habe ich trotzdem nichts. 

Auf dem Zimmer erwartete mich der operierende Arzt und fragte, wie es mir geht. Ich dachte, dass ich gleich gehen darf und auch bald wieder arbeiten kann. Er schaute mich entsetzt an und meinte nur: „Wissen Sie, wie knapp das mit Ihnen war?“. 

Und dann begriff ich erst, dass diese Reise sehr lange dauern wird. Er erzählte mir, dass dieses Cholesteatom (Geschwulst, Einwucherung in das Mittelohr) mehr Schaden angerichtet hätte, als gedacht und ich keinen Tag später hätte kommen dürfen. Ansonsten hätten sie nicht mehr viel für mich machen können. Sie mussten das Ohr komplett ausfräsen und umklappen damit sie alles sehen konnten. Die Verknöcherung war sehr schwer und weit vorangeschritten.

Ich hatte ein Titanimplantat rein bekommen, was mir mein Hören wiederherstellen sollte. Irgendwann wurde ich entlassen, auch wenn mein Hörtest wieder nicht das zeigte, was sich die Ärzte erhofften. 

Mein Leben ging weiter, aber der private Stress blieb trotzdem. Und so landete ich am 16.07.2018 wieder im Krankenhaus. Am 18.07.2018 wurde ich wiederum notoperiert. 

Die Ärzte erklärten mir, dass ich ein Cholesteatom habe, dass sich über viele Jahre eingenistet hatte und ich habe nichts davon gemerkt. Sie erklärten mir, dass es wie ein Teppich im Ohr ist und es immer wieder kommen kann (Rezidiv), und das war bei mir der Fall. Die OPs waren sehr problematisch, da es zum wiederholten Male in der Nähe des Gehirns war. Ich hatte eine ausgeprägte Verknöcherung im Kopf. 

Irgendwann wurde ich wieder entlassen und mein Leben ging weiter, der private Stress war leider stärker denn je. Arbeiten durfte ich nicht, da ich noch infektiös war. Mein Ohr war noch wund und es lief Wundwasser raus. 

Im August 2018 landete ich wieder im Krankenhaus, ich musste aber nicht operiert werden. Ich hatte eine Pilzinfektion im Ohr und mein Gehörgang war entzündet. Am 28.08.2018 wurde ich wieder entlassen. Mein Arzt sagte mir, dass ich mich unbedingt in einer weiteren Klinik vorstellen sollte. Er empfahl mir das UKE in Hamburg Eppendorf oder das AK Nord Heidberg.

Ich kämpfte mit mir, ob ich dort hingehen sollte. Ich hatte keinerlei Ahnung, wie schlimm alles noch werden sollte. 

Im Dezember 2018 bin ich ins UKE mit der Überweisung meines Arztes. Einen Termin gab es erst im Februar. Dann habe ich ja noch Zeit, dachte ich mir, aber die Zeit verging wie im Flug. Ich ging dann am 01.02.2019 ins UKE, um mich vorzustellen. 

Ich hatte einen ganzen Ordner voller Dokumente. Nach all den Untersuchungen war klar, dass ich auf jeden Fall noch einmal operiert werden muss. Für mich brach eine Welt zusammen. 

Am 18.06.2019 wurde ich ein letztes Mal in der Klinik Altona operiert. Leider habe ich keine Ahnung was da genau gemacht wurde. Ich wurde ohne Erklärung nach Hause geschickt. Ich bin direkt ins UKE gegangen und sie meinten, dass ich den OP Bericht anfordern soll.

Gesagt, getan, nur widerwillig ging ich in die Klinik und holte den OP Bericht. Im UKE war dann schnell klar, dass was faul ist und es sollte sich bewahrheiten. 

Ich weiß nicht, wie viele Termine ich hatte im UKE aber der wichtigste war der 19.02.2020, da wurde verkündet, dass ich implantiert werde, ein Cochlea Implantat links erhalte und mein Ohr dort dicht gemacht wird. Hörgeräte sind leider nichts für mich gewesen. 

Am 24.02.2020 bekam ich Bescheid, dass ich am 05.03.2020 einen OP Termin hätte. Ich gab in meiner Firma Bescheid, dass ich erstmal wieder ausfalle für vier Wochen. Ich war so nervös und die Angst sah man mir an. 

Dann kam der 05.03.2020, gegen 14 Uhr war ich im OP Saal. Um 17:43 war die OP beendet, aber ich wurde nicht wach. Ich hatte Probleme mit dem Atmen. Das gefiel dem Arzt gar nicht. Gegen 21 Uhr war ich auf dem Zimmer und die Krankenpfleger waren in Aufruhr. Sie fragten mich, ob ich schon immer schwerhörig war? Aber ich hatte ja keine Ahnung. 

Am 06.03.2020 wurde mein Kopf geröntgt, ob das Cochlea Implantat gut sitzt. Ich hatte sehr starke Schmerzen. Mir wurde gesagt, dass mein Cholesteatom wieder sein Unwesen trieb und man alles rausholen musste, auch mein Trommelfell war nicht mehr zu retten. Und mein Gleichgewichtsorgan ist nun auch hinüber, aber das haben sie drinnen gelassen, damit ich nicht noch mehr zu verarbeiten habe. 

Am 23.04.2020 war die Erstanpassung. Ich wusste, dass es eine Achterbahnfahrt der Emotionen sein wird.

Ich war überrascht, als ich erfuhr, dass ich so viel Zubehör bekam. Als ich den ersten Ton gehört habe mit dem CI, konnte ich nicht anders und musste weinen. 

Es war so schön, aber auch traurig, als ich begriffen habe, dass ich nun links wirklich nichts mehr auf natürlichem Wege höre. Das CI am linken Ohr hat mir aber ein neues Lebensgefühl geschenkt und das war es mir wert. Dazu möchte ich anmerken, dass sich auch mein Gehör auf der rechten Seite zusehends verschlechtert hat, immer wieder Gehörgangentzündungen und ein Loch im Trommelfell, aber zum Glück bin ich rechts von einem Cholesteatom verschont geblieben.

Jasmin Puttkammer
Dezember 2021