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Erfahrungsbericht „Kuraufenthalt mit Mundschutz“

Von Isabell Stark

Ich bin hochgradig hörgeschädigt und mit Hörgerät links und Cochlea Implantat rechts versorgt und habe im September 2019 eine Kur (Achtung: Keine Hörrehabilitation, das ist wichtig zu wissen!) beantragt, im Oktober 2019 wurde sie bereits genehmigt. Dann im Februar 2020 bekam ich die Information, an welchem Ort der Aufenthalt stattfinden wird bzw. dass demnächst mitgeteilt wird, wann es losgeht. Was kam dazwischen? COVID-19!

Die Kur wurde auf eine unbestimmte Zeit verschoben. Im Sommer 2020 erhielt ich die Nachricht, dass es im Oktober 2020 beginnen wird. Endlich!

Ein paar Tage vor der Abreise ist mein Wohnort dann zum Risikogebiet erklärt worden und ich musste noch einen COVID-19 Test machen lassen. Nachdem meiner Anreise nichts mehr im Wege stand, durchquerte ich einmal Deutschland, über 700 km bis zu meinem Kurort in St. Peter Ording.

Angekommen wunderte ich mich schon darüber, dass ich den normalen Eingang nicht benutzen darf. Neuanreisende müssen einen gesonderten Eingang nutzen. Ein paar Tage später war es so, dass man im gesamten Haus Mundschutz tragen musste, aber der eine oder andere hat beim Sprechen mit mir den Mundschutz von sich aus oder auf meine Bitte heruntergenommen.

Gruppengespräche, Einzelgespräche, Arztgespräche, Fitnessraum usw., sobald man im geschlossenen Raum war aber bei geöffnetem Fenster, durfte der Mundschutz heruntergenommen werden. So habe ich mich auch sicher und wohl gefühlt.

Ich war kaum eine Woche dort, da sind schon neue Regelungen angekündigt worden und diese waren für mich dramatisch:

Der Mundschutz bleibt immer an, auch in den geschlossenen und gelüfteten Räumen, in den Gruppen- und in Einzelgesprächen, usw. Das erste Gefühl war Frust und Wut.

Ich habe um einen Termin bei der Chefärztin gebeten. Zeitgleich habe ich das Gesundheitsamt, das Integrationsamt und den VDK in dem jeweiligen Bundesland angemailt und mein Problem geschildert. Das Gesundheitsamt hat mit Empathie geantwortet und darauf hingewiesen, dass die Landesverordnung in der Begründung zu § 2 Abs. 5 vorsieht, dass bei Hörbehinderungen die Maske zur Kommunikation ausnahmsweise vorübergehend abgenommen werden kann.

Das Integrationsamt hat nur 08/15 geantwortet mit einer zusätzlichen Aussage, dass die Verordnung gerade überarbeitet wird und der VDK hat sich in dieser Thematik nicht verpflichtet gefühlt.

Als ich den Termin mit der Chefärztin hatte, teilte sie mir mit, dass es eine eigene Hausregel ist und selbst wenn es erlaubt und rechtens wäre, sie eigene Regeln aufstellen dürfen. Das bedeutet, mir wurde ausdrücklich gesagt, dass es nicht möglich ist, den Mundschutz für mich herunterzunehmen und ich es mir doch leichter machen könnte, indem ich wieder nach Hause fahre.

Wieder war ich gefrustet und wütend. Da ist mir eingefallen, dass es noch den Sozialdienst im Haus gibt, dort habe ich einen Termin vereinbart und bei diesem Termin hatte ich Glück. Die Tochter der Sozialberaterin ist hörgeschädigt und sie erkannte mein Problem. Sie hat sich für mich eingesetzt und erreicht, dass in Einzelgesprächen der Mundschutz heruntergenommen werden darf, obwohl ich so aber leider von allen Gruppengesprächen ausgenommen wurde, in denen ich das Mundbild brauchte.

Da ich zum Glück in der ersten Woche schon viele Einweisungen hatte, konnte ich die Anwendungen beibehalten, wie z. B. Fitnessraum, Gymnastik, etc. In den darauffolgenden Wochen ist das Thema etwas verlaufen und die Mitarbeiter wussten, dass ich die bin mit den Lauschern an den Ohren und haben im unbeobachteten Moment für mich den Mundschutz heruntergenommen. So war der restliche Aufenthalt nicht dauerhaft frustrierend für mich.

Wie ihr aus der Geschichte entnehmen könnt, ist unser Problem leider nicht weit verbreitet genug bekannt und wir müssen dafür sorgen, dass viel mehr Menschen über unsere Kommunikationsbedürfnisse Bescheid wissen.

Isabell Stark
November 2020