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Gedanken einer Mutter mit CI-versorgter Tochter

Von C. R.
Angenommen, man hätte uns damals nach der Diagnose "an Taubheit grenzend schwerhörig" bei unserer Tochter direkt beide Optionen - CI und Gebärdensprache - gleichrangig offeriert, hätte das an unserer Lage damals und an unserem Weg insgesamt etwas geändert? Über diese Frage habe ich die Tage viel nachgedacht...
 
Wir waren damals nach der Diagnose sehr verunsichert und Eltern plagt wahrscheinlich in einem solchen Moment immer die Frage „Tun wir das Richtige? Was ist das Richtige?“.
 
Uns wurde am Tag der Diagnose nahegelegt, über eine CI-Implantation nachzudenken. Über das Nutzen der Gebärdensprache wurde tatsächlich kein Wort verloren.
 
Wir haben uns damals natürlich auch mit diesem Thema befasst. Wir hatten keine Berührungsängste in Bezug auf die Gebärdensprache, aber sicherlich liegt einem meistens das Vertraute näher und das war für uns die lautsprachliche Kommunikation.
 
Daher stand für uns dann sehr schnell fest, dass wir uns für die Implantation entscheiden.
 
Ich muss allerdings dazu sagen, dass uns die Entscheidung wohl leichter gefallen ist, da bei unserer Tochter kein Restgehör festgestellt wurde.
 
Wir schwankten somit nicht zwischen den Entscheidungen, ob ein CI schon nötig ist, oder ob eine Hörgeräteversorgung noch ausreichend ist.
 
Unsere Tochter sollte sich erstmal lautsprachlich orientieren und die Gebärdensprache wollte ich ihr später als Fremdsprache anbieten.
 
 
Das Einbinden der Gebärdensprache hatte ich aber stets im Hinterkopf.
 
Wir haben dann im späteren Kleinkindalter angefangen, ein paar Gebärden (LBG) einzubinden.
 
Diese haben wir dann z. B. bei Schwimmbadaufenthalten genutzt (Schwimmhüllen gab es damals noch nicht für das CI).
 
Unsere Tochter beherrscht einen kleinen Grundwortschatz an LBG.
 
Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass wir noch mehr Gebärden lernen, allerdings ist das gar nicht so leicht.
 
Gehörlos aufwachsende Kinder erlernen die Gebärdensprache - wenn nicht zu Hause - in Gehörloseneinrichtungen (z. B. Kindergarten, Schule, etc.), daher ist es schwierig, Kurse für Kinder zu finden.
 
Ich habe damals einen Kurs an der Volkshochschule besucht. Dieser fand abends statt, war also keine Option für unsere Tochter.
 
Sie hat dann von mir und aus Büchern gelernt. Der Lernerfolg wäre sicher höher gewesen, wenn ein Lernen in einer kleinen Kindergruppe möglich gewesen wäre.
 
Zusammen lernen macht Spaß und Kinder saugen in diesem Alter ja Alles auf wie ein Schwamm.
 
Sicher gibt es im Gehörlosen-Umfeld auch Möglichkeiten, von denen wir nichts wissen.
 
Aber meine Erfahrungen der letzten Jahre zeigten leider, dass es nicht leicht ist, hier Verbindungen aufzubauen.
 
Ich habe schon erlebt, dass man sich sehr gut unterhalten hat, bis herauskam, dass wir ein Kind mit CIs haben.
 
Daraufhin hat mein Gegenüber seinen Stuhl erstmal etwas weggerückt und sich einen anderen Gesprächspartner gesucht.
 
Ich habe aber auch positive Erfahrungen gemacht, über die ich sehr glücklich war.
 
Gerade im Hinblick auf die Probleme, die wir bereits hatten (Re-Implantationen), haben wir uns auch schon oft gewünscht, die Gebärdensprache besser zu beherrschen.
 
Es gibt sicher einen Weg, aber der Alltag bietet immer wieder etliche Hürden, die zu meistern sind, da hatte dies leider keine allzu hohe Priorität.
 
Ich weiß nicht, was der richtige Weg ist, aber dieser war für uns zumindest kein falscher Weg.
 
Es ist schwierig abzuschätzen, ob wir uns, wenn das Erlernen der Gebärden von Seiten der Einrichtungen (Klinik, Reha, etc.) empfohlen worden wäre, anders entschieden hätten.
 
Vielleicht hätten wir uns für eine Implantation und gleichzeitiges Erlernen der Gebärdensprache entschieden. Das kann ich jetzt nicht ausschließen.
 
Für die Implantation hätten wir uns aber auf jeden Fall entschieden und die alleinige Konzentration auf die Lautsprache in den ersten Hörjahren habe ich als sehr positiv empfunden.
 
Die lautsprachliche Entwicklung ging auch ohne Gebärden sehr schnell voran. Das ist natürlich auch von Kind zu Kind unterschiedlich. Hier muss jeder für sich und sein Kind den richtigen Weg finden.
 
Prinzipiell bin ich der Meinung, dass einem alle Türen offen stehen sollten.
 
Hierfür wünsche ich mir mehr gegenseitige Toleranz und das Respektieren der Entscheidungen anderer.
 
Wir können alle viel bewegen, wenn wir an einem Strang ziehen!
 
C. R. - Dezember 2018